In Prag haben sich heute die Ministerpräsidenten von Tschechien, der Slowakei, Polen und Ungarn zu Beratungen über die Flüchtlingskrise getroffen. Die vier Länder sprachen sich dabei gemeinsam gegen verbindliche Flüchtlingsquoten aus. «Wir bestehen auf Freiwilligkeit», sagte der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka in Prag.
Damit wiesen Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn die jüngste deutsch-französische Initiative für eine gerechtere Verteilung der Schutzsuchenden in Europa zurück. «Lösungen, welche die Möglichkeiten der einzelnen Länder nicht berücksichtigten, wären kontraproduktiv», warnte die polnische Ministerpräsidentin Ewa Kopacz.
«Der Streit um EU-Flüchtlingsquoten gleicht einem diplomatischen Pokerspiel», sagt Sebastian Ramspeck, SRF-Korrespondent in Brüssel. «Und in diesem Pokerspiel werden die Karten im Moment noch immer gemischt.» Grossbritannien habe heute angekündigt, nun doch mehrere Tausend zusätzliche syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Auch Dalia Grybauskaite, die litauische Präsidentin, habe eine Kehrtwende in der Frage gemacht und heute überraschend Solidarität und konstruktive Zusammenarbeit versprochen.
Zu dem Stimmungswechsel habe vor allem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel beigetragen, so Ramspeck. «Merkels Stellvertreter, Vizekanzler Sigmar Gabriel, warnte heute die osteuropäischen Staaten: Wenn ihr weiterhin eine Asylreform blockiert, dann können wir auch einfach mal den Geldhahn zudrehen.»
Betrogen von Schleppern – und Politikern
Ungarns Regierungschef Viktor Orban wies den Vorwurf zurück, sein Land verhalte sich unsolidarisch. «Wir müssen unsere Bürger schützen und ihre Sicherheit garantieren», sagte er. Erneut machte er Deutschland für den Zustrom mitverantwortlich. Die Flüchtlinge seien Opfer, die von Schleppern betrogen worden seien – und von Politikern, die falsche Hoffnungen geweckt hätten.
Orban brachte ins Spiel, dass Deutschland Visa für Flüchtlinge ausstellen könnte. Über den Fussmarsch von Flüchtlingen in Richtung Österreich will er mit seinen Kollegen in Wien sprechen: «Wie lösen wir diese Situation?» Wenn Österreicher den Migranten mit Autos und Bussen zur Hilfe kämen, wären sie nach europäischem Recht Schlepper, argumentierte der umstrittene Premier.
Gegen Grenzkontrollen
In einer gemeinsamen Erklärung forderten die vier Staaten der sogenannten Visegrad-Gruppe eine bessere Bewachung der EU-Aussengrenzen. In besonders betroffenen EU-Staaten sollten Registrierungszentren eingerichtet werden. Zudem müssten die Krisenstaaten Syrien und Libyen stabilisiert werden.
Zugleich sprach sich die Visegrad-Gruppe gegen die Wiedereinführung von Grenzkontrollen aus. «Das wäre ein grosses Versagen Europas», mahnte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico. Die Visegrad-Gruppe besteht seit 1991 und ist nach der ungarischen Gründungsstadt benannt.