In Genf wird wieder über das iranische Atomprogramm verhandelt. Am Tisch sitzen Diplomaten aus den USA, aus China, Russland, Frankreich, Grossbritannien, Deutschland und dem Iran selbst. Bei den Gesprächen Anfang Monat kam es zu keinem Durchbruch. Doch die Erwartungen sind gross. Man will endlich einen Schritt weiter kommen.
Einer, der diese Art Verhandlungen bereits hautnah miterlebt hat, ist Michael Ambühl. Der ehemalige Schweizer Staatssekretär leitete 2007/2008 einen Vermittlungsversuch der Schweiz im Atomstreit mit dem Iran und verhandelte das heikle US-Steuerdossier.
Abkommen würde Struktur schaffen
Steht der Durchbruch in Genf nun kurz bevor? «Zum jetzigen Zeitpunkt, wenn man noch nicht alle Fakten kennt, muss man vorsichtig sein mit Einschätzungen», sagt Ambühl. «Ich glaube aber, dass die Aussichten auf eine Verständigung noch nie so gut waren wie jetzt – wenn man als Vergleichsperiode die letzten acht Jahre nimmt.»
Komme das beabsichtigte Abkommen zustande, so hätte man einen ersten Schritt im Sinne einer vertrauensbildenden Massnahme getan, ist Ambühl überzeugt. «Man hätte eine Art Verhandlungsstruktur für die Zukunft, was meines Erachtens sehr wichtig ist.»
Blockade wegen Vorab-Forderungen
Weshalb man in dem jahrelangen Streit bisher kaum vom Fleck gekommen ist, erklärt Ambühl, der heute Professor für Verhandlungsführung an der ETH Zürich ist, so: «Das ist primär das Resultat von unerfüllbaren Vorbedingungen, die gestellt wurden.»
Der Westen, insbesondere die USA, hätte schon vor den Verhandlungen den Stopp des Baus von Zentrifugen verlangt. Teheran forderte seinerseits bereits vorgängig die Bestätigung des Anreicherungsrechts von Uran und die Aufhebung von Sanktionen.
Hinzu komme die «unsägliche Rhetorik», so Ambühl. «Die USA forderten einen Regimewechsel im Iran.» Darauf habe das iranische Regime nicht eingehen wollen. «Und der Iran stellte den Holocaust in Frage.» Das war für die anderen inakzeptabel.
Bessere Aussichten dank kleiner Schritte
Erfolgversprechend ist laut Ambühl ein phasenweises Vorgehen, wie man es in Genf anpeilt: «Dass man in einer ersten Phase vertrauensbildende Massnahmen wählt, bei denen man am Status Quo noch nicht so viel ändert.» Damit lege man die Basis, um in einem zweiten Schritt die Voraussetzungen für eine definitive Lösung auszuhandeln.
Die Frage, wer im Iran das Sagen hat, sei auch nicht zu unterschätzen, sagt Ambühl. «In der Tat ist der Wechsel von Ahmadinedschad zu Rohani ein wichtiger Faktor: Man ist von einem Populisten zu einem Pragmatiker gekommen.» Auch der Wechsel im Weissen Haus – von Präsident Bush zu Obama, von Aussenministerin Clinton zu Kerry – habe etwas bewirkt: «Washington ist jetzt offener für Lösungen im Mittleren Osten.»
Bei allem guten Vorzeichen – der studierte Mathematiker und Betriebswirt sieht auch Gefahren: «Wenn es jetzt nicht gelingt, einen Abschluss herbeizuführen, dann ist das Risiko gross, dass man zurück auf Feld eins kommt.» Dann habe man die Chance vertan, den Dialog in der Region zu fördern, ohne den man nicht vorankomme. «Denn das Spiel mit dem Feuer im Atomstreit sollte endlich zu einem Ende kommen.»