Der Iran steuert mit einem Erfolg gemässigter Reformer bei der Parlamentswahl auf eine vorsichtige Öffnung des Landes zu. Nach den veröffentlichten Endergebnissen für Teheran konnten Anhänger von Präsident Hassan Ruhani alle 30 Parlamentsmandate der Hauptstadt für sich gewinnen.
Auch bei der zeitgleichen Wahl des einflussreichen Expertenrates mussten islamisch-konservative Gruppen herbe Verluste einstecken. Trotzdem bleiben die religiösen Gruppierungen ein entscheidender Machtfaktor, da sich Irans Herrschaftssystem auf eine klerikale und eine parlamentarische Säule stützt.
Die Chance für einen neuen Iran
Viele der Abgeordneten, die den unter Ruhani erzielten Kompromiss im Atomstreit ablehnten, wurden nicht wieder in das Parlament gewählt. Die Beilegung des jahrelangen Streits gilt als Voraussetzung für einen neuen, aus der Isolation führenden Kurs des Landes.
«Diese Wahl kann zum Wendepunkt in der Geschichte der Islamischen Republik führen», hiess es in einen Leitartikel in der zum Reformer-Lager gehörenden Zeitung «Mardom-Salari».
Ruhani ist bei seinen Plänen auf den Rückhalt des neuen Parlaments angewiesen. Der Präsident will den privaten Sektor stärken, die Korruption bekämpfen und ausländische Investoren ins Land locken.
Auf dem Land ist man konservativer
Der mächtigste iranische Politiker, das geistliche Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei, reagierte zunächst zurückhaltend und forderte, weder Parlament noch Expertenrat dürften unter Einfluss des Westen stehen.
Im bisherigen Parlament halten die Konservativen mit etwa 65 Prozent der 290 Sitze die Mehrheit. Der Rest ist aufgeteilt zwischen den Reformern und Unabhängigen, die üblicherweise Ruhani unterstützen. Zwar konnten sich die Reformer in Teheran klar durchsetzen, auf dem Land wurde aber mit weniger Unterstützern gerechnet. Die Endergebnisse der beiden Abstimmungen dürften erst in einigen Tagen vorliegen.
Auch der Expertenrat schwankt
Auch im Expertenrat, dem wichtigsten religiösen Gremium des Landes, konnten die Reformer ihren Einfluss stark ausbauen. 15 der 16 auf die Hauptstadt Teheran entfallenden Mandate gingen nach offiziellen Wahlergebnissen an Anhänger Ruhanis. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Konservativen ihre Vorherrschaft in dem 88 Mitglieder umfassenden Gremium verlieren werden.
Der Expertenrat spielt unter anderem eine entscheidende Rolle bei der Nachfolge des 76-jährigen Chamenei, gegen dessen Widerstand derzeit Reformen kaum denkbar sind.
Keinen unmittelbaren Einfluss hatte die Parlaments- und Expertenrats-Wahlen auf den Wächterrat. Dieses zwölf Mitglieder umfassende Gremium aus Geistlichen und Juristen kann sein Veto gegen Parlamentsbeschlüsse einlegen.