«Einige der Söhne Frankreichs waren respektlos gegenüber dem Propheten. Deswegen hat ihnen eine Gruppe Allahs gläubiger Soldaten Respekt beigebracht.» Mit diesen Worten reklamierte Harith bin Ghasi al-Nadhari, einer der wichtigsten Glaubensbrüder der Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Aqap), die Urheberschaft für das Attentat auf «Charlie Hebdo». Ob die Aqap tatsächlich die Taten der Kouachi-Brüder orchestrierte, ist ungeklärt. Fest steht: Mit dem Attentat wäre der Al-Kaida im Rennen um die Führung im weltweiten Dschihad ein veritabler «Coup» gelungen.
Denn trotz zahlloser verheerender Anschläge in der islamischen Welt geriet das Terrornetzwerk zuletzt aus dem internationalen Scheinwerferlicht: Mit Osama bin Laden verlor es seinen seinen charismatischen Führer; der professoral wirkende Chefideologe Aiman az-Zawahiri ersetzte ihn nur leidlich.
Parallel dazu machte der «Islamische Staat» mit seinen medienwirksamen Inszenierungen des Tötens Schlagzeilen. Spätestens mit der selbsterklärten Errichtung eines Kalifats im Irak und Syrien lief der IS den Urhebern von 9/11 endgültig den Rang ab.
Jemen – das geeignete «Biotop» für den Terror
Im Jemen ist vom einstigen Kaida-Ableger jedoch wenig zu spüren. Hier hat das Terrornetzwerk nach wie vor beachtliche Schlagkraft. So gilt die Filiale, wie Auslands- und Sicherheitsexperte Fredy Gsteiger ausführt, als «operativ stärkster Zweig» der Organisation; noch vor der geschwächten Zentrale in Pakistan oder ihrem Ableger in Nordafrika. In die Hände spielt der Aqap, dass das 24-Millionen-Einwohnerland als «failed state» gilt: «Die Regierung hat nur noch kleine Teile des Landes unter Kontrolle, im Grunde genommen nicht einmal die Hauptstadt Sanaa.»
Der Jemen ist das Biotop, in dem die Al-Kaida gedeihen kann.
Das Land sei extrem arm, beherberge damit viele potenzielle Rekruten, arbeits- und chancenlose junge Männer, so Gsteiger. Zudem geniesst der Ableger die Unterstützung gewisser sunnitischer Stämme – das geeignete «Biotop, in dem die Al-Kaida gedeihen kann.»
Trotzdem: Ein international randständiger, «gescheiterter Staat» als Hort für das einst stolze Terrornetzwerk – eine Art Notlösung? Im Gegenteil, wie Gsteiger ausführt: «Es ist ein interessantes Territorium für sie. Der Jemen liegt im Rücken der ölreichen Golfstaaten, er kontrolliert sozusagen den Zugang zum Roten Meer und damit den Suez-Kanal.» Zudem liege der Jemen in direkter Nachbarschaft zu Saudi-Arabien. Dessen verhasste Monarchie sei das «prioritäre Ziel» der Dschihadisten, so Gsteiger.
Ohnmächtige Regierung – unpopuläre US-Hilfe
Wenig überraschend seien die Saudis denn auch an der Bekämpfung der Aqap beteiligt, etwa mit Geheimdienstinformationen. Auch die amerikanische Präsenz im Land ist bekannt, immer wieder schalten US-Drohnen Ziele der Al-Kaida aus. Zum Teil würden diese indes bewusst der jemenitischen Regierung zugeschrieben – denn die Millitärschläge würden bei weiten Teilen der Bevölkerung als Bevormundung durch die wenig populären Amerikaner wahrgenommen.
Die Regierung selber tue sich derweil bei der Bekämpfung schwer: «Sie ist weitgehend ohnmächtig, kontrolliert nur Teile der Armee.» So steht zu vermuten, dass der Al-Kaida-Ableger sein brutales Terrorhandwerk auf der Arabischen Halbinsel weiter ausüben wird – wie etwa zum Jahreswechsel, als ein Anschlag auf das jemenitische Verteidigungsministerium 60 Menschenleben forderte.