Es kam zu frenetischem Jubel der Gegner von Rousseff im Parlament, als die entscheidende 342. Ja-Stimme abgegeben worden war. Damit ist der Weg für ein Verfahren zur Amtsenthebung frei.
Suspendierung ab Ende April?
Jeder Abgeordnete erläuterte in einem kurzen Statement sein Votum, die emotionale Stimmabgabe dauerte bis zum entscheidenden Moment fünf Stunden. Mit dem Votum wird der juristische Prozess eröffnet, der Senat muss nun eine Kommission bilden. Bereits Ende April könnte er mit einer einfachen Mehrheit Rousseff zunächst für 180 Tage suspendieren, dieses Votum wird nicht als grosse Hürde angesehen.
Frist bis Oktober
In der Zeit würden die Vorwürfe gegen Rousseff im Senat juristisch geprüft. Ihr würde Vizepräsident Michel Temer nachfolgen, der Chef der Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) ist, die mit der Regierung gebrochen hat. Temer ist aber weiterhin Vizepräsident.
Bis Oktober könnte der Senat sie mit Zwei-Drittel-Mehrheit endgültig des Amtes entheben. Bisher gab es solch ein Verfahren erst einmal. 1992 wurde Fernando Collor de Mello nach Korruptionsvorwürfen für 180 Tage suspendiert – und trat am Ende schliesslich selbst zurück.
Niederlage früh eingeräumt
Die Partei von Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff hatte bereits vor dem Ende der Abstimmung über ein Amtsenthebungsverfahren ihre Niederlage eingeräumt.
Rousseffs Regierung erkenne die «vorübergehende Niederlage» an, sagte José Guimaraes von der linken Arbeiterpartei. Nach rund viereinhalbstündiger Abstimmung am Sonntag im Abgeordnetenhaus, bei der jeder Parlamentarier einzeln aufgerufen wird, waren 307 von 342 benötigten Stimmen für ein Verfahren zusammen. Nur 107 Abgeordnete stimmten gegen das Verfahren.
Partei will im Senat weibeln
Nach dem Votum im Abgeordnetenhaus muss der Senat über die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens entscheiden.
Die Arbeiterpartei konzentriere sich nun darauf, die Absetzung im Senat abzuwehren, sagte Guimaraes. Spricht sich der Senat für ein Verfahren aus, würde Rousseff vorübergehend suspendiert.
Tumulte am Abstimmungsbeginn
Begleitet von lauten «Arbeiterpartei raus»-Rufen hatte um 19 Uhr im brasilianischen Abgeordnetenhaus die womöglich vorentscheidende Abstimmung über die Absetzung von Präsidentin Dilma Rousseff begonnen. Es kam zu tumultartigen Szenen zwischen Gegnern und Anhängern der Präsidentin von der linken Arbeiterpartei (PT), der Tricksereien beim Staatshaushalt vorgeworfen werden.
«Es darf keinen Putsch geben»
Abgeordnete der Arbeiterpartei riefen: «Es darf keinen Putsch geben». Sie zeigten ein Banner «Weg mit Cunha» – Parlamentspräsident Eduardo Cunha hatte das Verfahren gegen Rousseff federführend unterstützt, obwohl ihm selbst die Annahme von fünf Millionen Dollar Schmiergeld vorgeworfen wird.
Bei den Vorwürfen gegen Rousseff geht es zum einen um Tricksereien beim Haushalt -– vor allem bei der Finanzierung von Programmen wie der Familiensozialhilfe «Bolsa Familia» über öffentliche Banken und zum anderen um Kreditvergaben ohne grünes Licht des Kongresses.