In Semipalatinsk, im äusseren Nord-Osten Kasachstans, wirbeln heftige Windböen viel Sand von der nahen Steppe ins Stadtzentrum. Alles ist in eine feine Sand- und Staubschicht gehüllt. Auch die Wahlplakate, auf denen wie im ganzen Land an fast jeder Strassenecke für die Wiederwahl Nasarbajews geworben wird, sind mit einer sandfarbenen Patina versehen.
Dabei steht unumstösslich fest: Der 74-jährige Nasarbajew, der das Land schon durch die letzten sowjetischen Jahre gesteuert hat, wird ein weiteres Mal mit überwältigendem Mehr bestätigt.
Nasarbajew lässt sich bitten
In einer perfekt orchestrierten Grossveranstaltung der sogenannten kasachischen Volksversammlung in der Hauptstadt Astana haben am Donnerstag Vertreter der Jugend und der Frauen, Kriegsveteranen, Exponenten der ethnischen Minderheiten und Geistliche den amtierenden Präsidenten noch einmal untertänigst gebeten, das Land nochmals während fünf Jahren zu regieren.
Vor ein paar Wochen schon hätten eben diese Exponenten Nasarbajew um eine vorgezogene Präsidentschaftswahl gebeten, sagt Alexander Axiutits, der offizielle Sprecher der Wahlkampagne: «Dieses Gremium hat um diese Wahl gebeten. Nur deshalb hat sich Nasarbajew nochmals zur Kandidatur bereit erklärt.»
Angst vor der Wirtschaftskrise
Etwas pragmatischer sieht das der Politologe Dossym Satpajew in Almaty. Nasarbajew selbst habe die Wahl jetzt durchführen wollen – weil der eigentlich für das kommende Jahr vorgesehene Urnengang von der Wirtschaftskrise hätte überschattet werden können.
Seit den späten 1980er-Jahren und seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sorgt Nasarbajew geschickt für einen machtpolitischen Ausgleich zwischen den sich konkurrierenden Clans in Kasachstan. Nasarbajew selbst, seine Familienangehörigen und auch die Spitzen der Clans horten mittlerweile ein beachtliches Milliardenvermögen, das sie vor allem mit Öl- und Gasgeschäften erzielt haben.
Gegen missliebige Wirtschaftsgruppierungen gehen die Behörden rigoros vor, wer aber über gute Verbindungen zum Machtzentrum verfügt, darf sich sicher fühlen. Deshalb, so meint der Politologe Satpajew, könne Kasachstan bei der Korruptionsbekämpfung nur wenige Erfolge vermelden: «In unserm Land gibt es eine geschützte Kaste. Bei ihr aber müsste die Korruptionsbekämpfung beginnen!»
Der unterschätzte Staat in Zentralasien
Im Vergleich aber zu andern zentralasiatischen Staaten, etwa Usbekistan und Tadschikistan, ist Kasachstan wirtschaftlich ein erfolgreicher Staat. Obwohl Mitglied der von Russland angeführten eurasischen Wirtschaftsunion, streckt Kasachstan erfolgreich seine Fühler nicht nur Richtung Moskau, sondern auch gegen Westen und natürlich zu seinem östlichen Nachbar China aus.
Die Präsidentenwahl werde nun insbesondere gegenüber der Weltgemeinschaft deutlich machen, dass der an Bodenschätzen reiche Staat wirtschaftlich nicht zu unterschätzen sei, erklärt Alexander Axiutits, Chef der Wahlkampagne: «Mit der klaren Wahl wird deutlich, dass unsere Wirtschaft weiter gestärkt werden soll. Früher hat man Kasachstan doch nur wegen der Atombombentests bei Semipalatinsk gekannt. Wir möchten aber, dass man uns verstärkt als wichtige Wirtschaftskraft wahrnimmt.»
Die Wahlurnen in Kasachstan sind seit 16 Uhr MESZ geschlossen. Kein Zweifel: Nasarbajew wird mit weit über 90 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Viele beschäftigt zwar die Frage, wer dereinst auf den mittlerweile 74-jährigen autokratischen Langzeitpräsidenten nachfolgen wird. Im Moment aber wird in Kasachstan vor allem gefeiert.
Kasachstan – Reise durch die zentralasiatische Republik
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Bild 1 von 16. Die frühere Sowjetrepublik Kasachstan ist flächenmässig der neuntgrösste Staat der Erde und dehnt sich in Zentralasien zwischen dem Kaspischen Meer im Westen und dem Altai-Gebirge im Osten. Bildquelle: Google Map.
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Bild 2 von 16. In Kasachstan leben Menschen aus mehr als 50 ethnischen Gruppen. Die grösste Ethnie bilden mit 64 Prozent der Bevölkerung die Kasachen. Auf dem Bild Schüler in Almaty, der ehemaligen Hauptstadt, die früher Alma-Ata hiess. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 3 von 16. 1997 wurde der Regierungs- und Parlamentssitz in die Stadt Aqmola verlegt und als offizielle Hauptstadt proklamiert. Sie wurde anschliessend in Astana («Hauptstadt») umbenannt. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 4 von 16. Die Hauptstadt Astana liegt in einer Steppenlandschaft am Fluss Ischim. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 5 von 16. Der über hundert Meter hohe Bajterek-Turm in der Hauptstadt Astana gilt als Wahrzeichen der Stadt. Er wurde vom britischen Architekten Norman Foster entworfen. Er stellt einen Lebensbaum dar, der in seiner Krone ein Ei trägt als Symbol für Wiedergeburt, Wachstum und Entwicklung. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 6 von 16. In Kasachstan weiten sich ausserhalb der Städte riesige faszinierende Steppenlandschaften. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 7 von 16. Kamele werden in den weiten Steppen Kasachstan als Reittiere eingesetzt. Das kasachische Trampeltier gilt als eigene Tierrasse. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 8 von 16. Heute sind es kaum mehr Kamele als vielmehr grosse Lastwagen, die durch die weiten Steppen fahren. Ein grosser Teil der (neuen) Seidenstrasse führt durch Kasachstan. Dieser Handelsweg zwischen Westen und Osten ist Jahrhunderte alt. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 9 von 16. Auf dem Weg in den Osten Kasachstans befindet sich das ehemalige Atombomben-Testgelände Semipalatinsk. Die Sowjetunion nahm dort ab 1949 bis 1989 nukleare Bombentests zu militärischen Zwecken vor. Heute erinnert in Semipalatinsk ein Denkmal an die Opfer der Tests, die überwiegend an Krebs gestorben sind. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 10 von 16. Im äussersten Osten Kasachstan liegt Ust-Kamenogorsk (Öskemen), russisch für «Steinberg an der Mündung». Hier stand das sowjetische Kriegsgefangenenlager 45 Ust-Kamenogorsk, wo deutsche Kriegsgefangene unter anderem Häuser bauten, die heute noch bewohnt sind. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 11 von 16. Kontrastreiche Stadtansichten in Ust-Kamenogorsk. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 12 von 16. Auch westliche Produkte für den Alltag sind an Marktständen in Ust-Kamenogorsk erhältlich. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 13 von 16. Eine witterungsgeschützte Wand dient in Ust-Kamenogorsk als improvisiertes öffentliches Anschlagbrett. Die Mehrzahl der angeklebten Zettel betreffen Wohnungsangebote. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 14 von 16. Auch Ust-Kamenogorsk hat sein «Kulturhaus», wie die Einrichtungen für kulturelle Zwecke in sozialistischen Staaten bezeichnet werden. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 15 von 16. Die Region um Ust-Kamenogorsk ist eines der grössten Zentren der Bergbau-Industrie und der (Bild) Verhüttung von Buntmetallerzen (etwa Zink, Blei, Titan) aus der Zeit der ehemaligen Sowjetunion. Die Region ist stark mit Schadstoffen belastet. In Gewässern werden deutlich erhöhte Werte dieser Metalle nachgewiesen. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.
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Bild 16 von 16. Kasachstan liegt bei den Rohstoffvorkommen weltweit auf einem der vorderen Plätze. Laut dem kasachischen Bergbauverbandes AGMP befinden sich auf dem Territorium z.B. rund 13 Prozent der weltweiten Zinkreserven. Die Förderung und Verhüttung bietet in Ust-Kamenogorsk entsprechend auch Arbeitsplätze. Bildquelle: Peter Gysling, SRF.