Die Dschihadisten des Islamischen Staats (IS) haben sich offenbar zumindest zu Teilen aus der umkämpften nordsyrischen Stadt Kobane zurückgezogen. «Sie stehen nun wieder vor den Toren der Stadt», verkündete ein Politiker des Bezirks.
Der Beschuss und das Bombardement seien sehr effektiv gewesen. «Das ist ihr grösster Rückzug, seit sie in die Stadt eingedrungen sind», so der Behördenvertreter. Er fügte an: «Wir können davon ausgehen, dass das der Beginn ihres Rückzuges aus der Region ist.»
Unterschiedliche Lagebeurteilungen
Zuvor hatte bereits der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdul Rahman, Erfolge im Kampf gegen die Terrormiliz vermeldet. Er schätzte die Lage allerdings zurückhaltender ein. Infolge der internationalen Luftangriffe hätten die IS-Kämpfer Viertel im Osten und am Südwestrand der Stadt verlassen. Sie seien jedoch weiterhin im Ort.
Unvermindert heftige Kämpfe
Tatsächlich war im Westen der an der Grenze zur Türkei gelegenen Stadt am Morgen eine schwere Explosion zu hören – eindeutige Klarheit über deren Urheberschaft gab es aber nicht. So kursierten auch unbestätigte Informationen über einen Selbstmordanschlag durch die Dschihadisten.
SRF-Korrespondentin Ruth Bossart stand am Nachmittag an der Grenze, rund einen Kilometer von Kobane entfernt. «Man hörte anhaltendes Maschinengewehrfeuer und Bombenexplosionen und man sah schwarze Rauchsäulen». Leute vor Ort versicherten ihr, dass sich die Kämpfe klar intensiviert hätten. Das merke man auch an der geringen Zahl von Flüchtlingen, die auf der türkische Seite eintreffen. Offenbar seien sie in Kobane eingekesselt. Wer es über die Grenze geschafft habe, hause derzeit in Zelten oder anderen improvisierten Unterkünften, sagte Bossart in der «Tagesschau».
Internationale Koalition intensiviert Luftschläge
Die US-Streitkräfte bestätigten derweil die intensivierten Luftschläge gegen die Terrormiliz. Bei sechs Angriffen aus der Luft seien am Dienstag und Mittwoch unter anderem ein Transportpanzer und Artilleriegeschütze der IS-Kämpfer zerstört worden.
Insgesamt gab es demnach in Syrien innerhalb von zwei Tagen neun Luftschläge, an denen sich auch die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligten. Zudem habe man zusammen mit Grossbritannien und den Niederlanden IS-Ziele im Irak angegriffen.
Türkei als Nato-Bündnisfall?
Der neue Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wird am Donnerstag in der Türkei erwartet. Vor dem Hintergrund des IS-Vormarsches auf Kobane will Stoltenberg den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan treffen. Sollte die Terrormiliz IS in Richtung Türkei vorrücken, könnte Ankara den Bündnisfall ausrufen und damit die Unterstützung der Nato.
Die Lage in der umkämpften Stadt, insbesondere im Hinblick auf allfällige zivile Opfer, bleibt indes unübersichtlich. Der kurdische Aktivist und Journalist Mustapha Ebdi berichtete bei Facebook, die Strassen des Maktala-Viertels im Südosten Kobanes seien «voller Leichen von IS-Kämpfern». Er warnte, die humanitäre Lage für die Hunderten in der Stadt verbliebenen Zivilisten sei sehr schwierig.
Aus der Region Kobane sind mittlerweile 180'000 Menschen in das Nachbarland Türkei geflohen. Dort mehren sich die Proteste der kurdischen Bevölkerung gegen die Regierung in Ankara. Diese leistet zwar humanitäre Hilfe und lässt Panzer an der Grenze auffahren, hat sich bislang aber nicht in den Kampf gegen den IS eingeschaltet.