Nur Feinde können Frieden schliessen: Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos war ein Feind der Farc-Guerilla. Er war Verteidigungsminister und hat die Farc militärisch geschwächt. Als Hardliner wurde er zum Präsidenten gewählt. Erst aus dieser Position hat er zu verhandeln begonnen. Sein Wahlkampf für ein zweites Mandat sollte dann zu einer Art Abstimmung über den Friedensprozess werden. Santos gewann sie deutlich.
Aber – und hier treffen sich die damalige Wahl und die gestrige Abstimmung: Mehr als die Hälfte der Stimmberechtigten blieb zu Hause. Das Ergebnis vom Wochenende zeigt darum nicht eine in exakt zwei gleich grosse Teile der Gesellschaft gespaltene Bevölkerung. Es zeigt vor allem, dass ein grosser Teil der Gesellschaft auf diesen historischen Schritt nicht oder zu wenig vorbereitet war.
Grosses Misstrauen ist geblieben
Das Nein war in den bevölkerungsreichen nördlichen Provinzen Antioquia und Santander besonders stark und überwog das Ja in der Hauptstadt Bogotá. Antioquia ist die Hochburg des früheren Präsidenten Uribe, der mit aller Macht gegen das Abkommen zu Felde gezogen war. Aber auch in Provinzen im Landesinnern, die vom Krieg besonders betroffen waren, traute man der Guerilla nicht. Sie lehnten das Abkommen mehrheitlich ab, wohl vor allem wegen der Straffreiheit der Guerilla-Führer.
Trotz harter und hartnäckiger Verhandlungen hat die Regierung es offenbar versäumt, die Vorteile des Friedens zu erklären und glaubhaft zu machen, dass die Friedensdividende wirklich allen zugutekommen würde. Insbesondere jenen, die immer schon zu kurz gekommen waren und unter dem Krieg weitab am meisten zu leiden hatten. Um diese Spaltung der Gesellschaft geht es letztlich. Sie hat nicht nur zum Krieg geführt, sondern auch zur Macht der Drogenbarone. Wie wenig man das in Kolumbien akzeptiert, zeigt die minimale Beteiligung an der Abstimmung.
Der Friedensprozess muss weitergehen
Der Präsident schickt nun seine Unterhändler nach Havanna zurück, um die Guerilla-Führung zu informieren. Das heisst: Um Möglichkeiten für weitere Gespräche zu sondieren. Santos hatte solche Nachverhandlungen bisher immer ausgeschlossen. Das musste er, sonst hätte der seinen Gegnern schon im Abstimmungskampf die Türen geöffnet. Aber er und die Guerilla wollen und brauchen sie.
Wenn der Friedensprozess scheitert, wird es nie zu Gesprächen mit der zweiten Guerilla-Bewegung kommen, der marxistisch orientierten Nationalen Befreiungsarmee ELN. Und die Farc-Obersten wissen, dass sie nicht so schnell wieder offeriert bekommen, was sie heute in Händen halten. Neue Verhandlungen stehen jetzt aber unter dem Druck politischer Kräfte, die einen Frieden der Sieger diktieren wollen.
Das kann zu neuer Gewalt führen, die noch einmal zeigen wird, dass es hier keine Sieger geben kann.