Der aus dem russischen Straflager entlassene und nach Berlin gereiste Kremlgegner Michail Chodorkowski will sich für andere Gefangene in seinem Land einsetzen. «Es gibt noch viel zu tun, die Freilassung der Geiseln, die noch im Gefängnis sind, vor allem Platon Lebedew», sagte der 50-jährige der kremlkritischen Zeitschrift «The New Times» in Moskau.
Lebedew war Geschäftspartner des einstigen Ölmilliardärs. Mit ihm wurde er in zwei international umstrittenen Verfahren unter anderem wegen Steuerbetrugs verurteilt. Laut SRF-Russlandkorrespondent Christof Franzen habe Chodorkowski gar keine andere Wahl, als sich für die noch in Haft befindenden Personen einzusetzen.
«Viele dieser Personen wurden Bauernopfer seiner politischen Ambitionen, die Chodorkowski vor seiner Haft hegte», so Franzen.
In einem ersten Interview nach seiner Freilassung betonte Chodorkowski auf Russisch, er sei allen dankbar, die geholfen hätten, damit er das Straflager verlassen könne. «Das Wichtigste ist jetzt: Freiheit, Freiheit, Freiheit.»
«Er kann jederzeit zurückkehren»
Ein Sprecher des Kreml sagte unterdessen, Chodorkowski könne «jederzeit» nach Russland zurückkehren. Zur Frage, ob sich Chodorkowski künftig auch politisch betätigen dürfe, äusserte er sich nicht.
SRF-Russlandkorrespondent Christof Franzen ist überzeugt, dass Chodorkowski zumindest für einen Besuch dereinst wieder nach Russland reisen werde. «Das ist er den 100‘000 Anhängern schuldig, die in ihm eine Ikone des politischen Widerstandes sehen.»
Kremlchef Wladimir Putin hatte Chodorkowski nach mehr als zehn Jahren in Haft überraschend aus humanitären Gründen begnadigt. Der deutsche Ex-Aussenminister Hans-Dietrich Genscher hatte dabei vermittelt.
Der 50 Jahre alte Putin-Gegner traf sich in Berlin mit seinem Sohn Pawel und seinen Eltern. Chodorkowski empfing Mutter Marina und Vater Boris am Samstag im Berliner Hotel «Adlon», wo er seit seiner Ankunft in Deutschland am Freitag wohnt.
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Bild 1 von 6. Michail Borisovič Chodorkowski wurde 1963 in Moskau in einer jüdischen Familie als Sohn eines Chemikers und einer Chemikerin geboren. Mit 18 studierte er Chemie in Moskau. Er engagierte sich stets für die Politik. So gehörte er 1993 zum Beraterstab des russischen Premierministers und war stellvertretender Minister für Brennstoffe und Energie. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 6. Im April 1996 übernahm er die Führung von Jukos, dem damals zweitgrössten russischen Ölkonzern. Wenige Monate danach wurde er Mitglied des Konsultativrats für Bankwesen bei der russischen Regierung. Als sich Rosprom und Jukos 1997 zu einer Holding vereinigten, übernahm Chodorkowski deren Führung als Vorstandsvorsitzender. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 6. Chodorkowski (ganz rechts) gehörte in den 1990er-Jahren zu den wichtigsten Menschen der russischen Wirtschaft. Hier 1998 bei einem Treffen der einflussreichsten Unternehmer mit dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin in der Duma. Bildquelle: Reuters.
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Bild 4 von 6. Zunehmend engagierte sich Chodorkowski in der russischen Innenpolitik und finanzierte Oppositionsparteien. Schliesslich verdächtigte er die Regierung öffentlich der Korruption. Im Februar 2003 gerieten er und Putin vor laufenden Fernsehkameras über die Frage der Korruption heftig aneinander. Damit begann das Drama Chodorkowskis. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 6. Yukos war einer der grossen Konzerne Russlands für Erdölförderung und Petrochemie und gehörte auch weltweit zu den grössten nichtstaatlichen Konzernen. Nach der Festnahme Chodorkowskis geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Yukos wurde im 2006 von einem Moskauer Gericht für bankrott erklärt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 6. Im Oktober 2003 wurde Chodorkowski in Nowosibirsk festgenommen und in Moskau inhaftiert. Einem Haftbefehl zufolge soll er durch Unterschlagung und Steuerhinterziehung am russischen Staat einen Gesamtschaden von über einer Milliarde Dollar verursacht haben. 2005 sass Chodorkowski im Straflager JaG 14/10 in Krasnokamensk in Sibirien nache China ein. Bildquelle: Keystone.