Im Norden Syriens haben kurdische Kampfeinheiten und Kämpfer der Freien Syrischen Armee die Dschihadisten des «Islamischen Staats» IS vom Grenzübergang Tell Abjad vertrieben. Auch die Grenzstadt selbst werde inzwischen vollständig von der kurdischen YPG-Einheiten kontrolliert, sagte einer ihrer Sprecher.
Unterstützung aus der Luft
Die kurdischen Volksschutzeinheiten seien bei ihrem Vormarsch von Rebellen der Freien Syrischen Armee FSA sowie Luftangriffen der internationalen Koalition unterstützt worden, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London, die den syrischen Aufständischen nahesteht. Mindestens 40 IS-Extremisten seien auf der Flucht durch Luftangriffe getötet worden.
Der IS verliert mit dem Vormarsch der Kurden die Kontrolle über einen wichtigen Teil der Grenze. Damit wird die schnellste Verbindung und die Versorgungsroute zwischen der rund 90 Kilometer südlich gelegenen IS-Hochburg Rakka und der Türkei abgeschnitten.
Mit der vollständigen Einnahme Tell Abjads können die Kurden zugleich die von ihnen kontrollierten Gebiete um die Stadt Kobane im Norden und die Stadt Kamischli im Nordosten des Landes vereinen. Ende Januar hatten die Kurden unter Mithilfe von massiven Luftangriffen der US-geführten Koalition den IS bereits aus Kobane vertrieben.
Tausende Syrer flüchten in die Türkei
In den vergangenen Wochen und Tagen waren Tausende Menschen vor den Kämpfen in Tell Abjad in Richtung Türkei geflohen. Laut Berichten türkischer Nachrichtenagenturen haben allein seit Sonntagabend bis zu 4600 Syrer den Übergang zur türkischen Stadt Akçakale passiert. Aus der Region sind in den vergangenen zwei Wochen demnach rund 20'000 Syrer in die Türkei geflohen.
Am Wochenende hatten mehrere Tausend Flüchtlinge auf der syrischen Seite der Grenze festgesessen, türkische Sicherheitskräfte hinderten sie am Grenzübertritt. Schliesslich öffnete die Türkei die Grenze am Sonntagabend und erneut am Montag. Zuvor hatten IS-Kämpfer Zivilisten, die in brütender Hitze an der Grenze warteten, zurück nach Tell Abjad gezwungen. Laut der Nachrichtenagentur Anadolu handelt es sich bei den Flüchtlingen vor allem um Turkmenen und Araber.
Vorwurf der ethnischen Säuberung
Die kurdischen Volksschutzeinheiten sind mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden. Die Türkei verdächtigt die YPG, bei ihrem Vormarsch Turkmenen und Araber aus deren Siedlungsgebieten zu vertreiben. Ein Bündnis von islamistischen Rebellengruppen warf den Kurden in einer Erklärung eine «ethnische Säuberung» vor.
Die Regierung in Ankara befürchtet zudem, die Kurden könnten in Syrien einen eigenen Staat ausrufen und Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden in der Türkei befördern. In der Türkei haben nach UNO-Angaben seit Ausbruch des Bürgerkriegs vor vier Jahren gegen 1,8 Millionen Syrer Zuflucht gesucht.