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Legendäres Rungholt Verschwundene Stadt unter dem Wattenmeer entdeckt

Ein archäologisch-geologisches Forscherteam hat ziemlich eindeutige Hinweise darauf gefunden, wo Rungholt dereinst gelegen hat.

Darum geht es: Laut einer Legende ist die Stadt Rungholt an der Nordseeküste bei einer Sturmflut 1362 weitgehend zerstört worden und bei einer späteren Sturmflut ganz verschwunden. Lange wusste man nicht, ob es diese Stadt wirklich gegeben hat, inzwischen gilt sie als historisch überliefert. Die Geschichte des mittelalterlichen Ortes ist stark von Mythen und Legenden geprägt: Er soll einst reich und mächtig gewesen, wegen der Sünden seiner Bewohnerinnen und Bewohner sowie des moralischen Zerfalls aber von Gott bestraft worden sein. Kürzlich hat nun ein Forschungsteam Kirchenreste und Siedlungsspuren entdeckt, die fast nur vom versunkenen Rungholt stammen können.

Unter der Wattoberfläche sind die Reste der damaligen Menschen aus dem Mittelalter. Das ganze Gebiet war besiedelt.
Autor: Ruth Blankenfeldt Archäologin und Leiterin des Forschungsteams

Der Fund: Im Mai 2023 wurde bei Hallig Südfall durch geophysikalische Untersuchungen eine bislang unbekannte, zwei Kilometer lange Kette mittelalterlicher Warften, also künstlicher Siedlungshügel, erfasst. Eine dieser Warften zeigt Strukturen, die zweifelsfrei als Fundamente einer Kirche von 40 x 15 Metern Grösse zu deuten sind, wie ein interdisziplinäres Untersuchungsteam aus der Mainzer, Kieler und anderen Universitäten bekannt gab. Insgesamt wurden bislang 54 Warften, mehrere kleinere Kirchen sowie ein Hafen entdeckt. Es handle sich damit um einen der überlieferten Hauptorte des mittelalterlichen Verwaltungsbezirks Edomsharde – also womöglich Rungholt.

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Die Vorsicht: «Wir können zwar nicht 100-prozentig sicher sagen, dass wir Rungholt unter unseren Füssen im Watt haben», sagt Ruth Blankenfeldt. Die Archäologin leitet das Forschungsteam und arbeitet am Zentrum für baltische und skandinavische Archäologie in Schleswig-Holstein. Doch alle Anzeichen deuteten auf eine sehr wichtige, grosse und handelstätige Siedlung hin, was wiederum für Rungholt spreche. Vor allem der Fund des Kirchenfundaments sei ein wichtiger Hinweis: «Das Bauwerk spielt von der Grösse her in der Liga der damaligen grossen Kirchen in Nordfriesland.» Entsprechend sei sie von vielen Leuten besucht worden, was zeige, dass es sich beim Fund um einen der Verwaltungsbezirke von damals handle.

Altes Siedlungsgebiet: Die Untersuchungen der Archäologenteams in dem Gebiet laufen schon seit 2016. Inzwischen seien derart viele Überbleibsel und Hinweise unter dem Wattenmeer detektiert worden, dass man mit Sicherheit davon ausgehen könne, dass dort ein grosses Siedlungsgebiet gelegen habe, betont Blankenfeldt. «Unter der ganzen Wattoberfläche, die wir heute begehen, sind die Reste der damaligen Menschen aus dem Mittelalter. Das ganze Gebiet war besiedelt.»

Zwei Personen mit einem Wagen im Wattenmeer.
Legende: Die Forschenden ziehen die Wagen mit ihrem Gerät, mit dem der Boden unter ihren Füssen durchleuchtet wird, durchs Wattenmeer. Motorisierte Geräte sind hier verboten. JGU/Dirk Bienen-Scholl

Die Untersuchung: Das Fundgebiet liegt rund sieben Kilometer vom Festland entfernt, mitten im Gebiet des Weltkulturerbes des Wattenmeers. Das bedeutet vor allem, dass dort nur bei besonders niedrigem Wasser gearbeitet werden kann. Zudem dürfen keine motorisierten Geräte benutzt werden. Die Forscherinnen und Forscher ziehen also die Wagen, auf denen ihr rund 30 Kilogramm schweres geophysikalisches Untersuchungsgerät liegt, zu Fuss zum Gebiet, was pro Weg etwa zweieinhalb Stunden dauert. «Wir arbeiten dann sehr schnell – und wenn das Wasser kommt, gehen wir sehr zügig wieder zurück, die ganzen sieben Kilometer», beschreibt Ruth Blankenfeldt ihre Arbeitsmethode im Wattenmeer.

SRF 4 News, 27.06.2023, 08:20 Uhr ; 

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