Die Verhandlungen über das Ende des griechischen Schuldendramas gehen in die entscheidende Phase. So ist am am Mittwoch der griechische Regierungschef Tsipras nach Brüssel gereist, um mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über einen Weg aus der Finanzkrise zu sprechen. Bei der als privat bezeichneten Zusammenkunft geht es um die Verhandlungen Griechenlands mit seinen internationalen Geldgebern. Das pleitebedrohte Land hatte im Tauziehen um weitere dringend benötigte Milliardenhilfen einen Reformplan vorgelegt – in der Hoffnung, Griechenland vor der drohenden Staatspleite zu bewahren.
Laut Angaben aus EU-Kreisen sollen sich auch Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sowie Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationale Währungsfonds (IWF) am allenfalls matchentscheidenden Gespräch beteiligen. Damit sässen wichtige Entscheidungsträger am runden Tisch, die eine Einigung mit Griechenland auf den Weg bringen könnten.
Verschiedene Erwartungen an das Gespräch
Was von den Diskussionen erwartet werden kann, ist – angesichts divergierender Aussagen der massgeblichen Akteure – schwierig vorauszusagen. So liess etwa der Chefsprecher der EU-Kommission verlauten, dass bei dem Treffen «nicht verhandelt» werde und es stattdessen um eine «Bestandesaufnahme» ginge. Und auch Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem dämpfte im unmittelbaren Vorfeld des Treffens die Erwartungen. Hingegen sagte der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos, dass «sicher» eine Einigung erzielt werde. Die hoffnungsvollsten Töne schlug derweil der französische Präsident François Hollande an: «Wir sind wenige Tage oder Stunden von einem möglichen Abkommen entfernt,» sagte er. Sowohl mit Hollande wie mit der deutschen Kanzlerin Merkel hatte Tsipras kurz vor seinem Treffen mit Juncker telefoniert und angeblich konstruktive Gespräche geführt.
Auf jeden Fall sind beide Seiten – Griechenland und seine Gläubiger – an einer raschen Lösung im Schuldenstreit interessiert. Denn die Zeit drängt: Das Hilfsprogramm läuft zum Monatsende aus, und Athen muss im Juni insgesamt 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen. Eben diese Auflage dürfte das Land aber überfordern, zumal eine erste Rate von 300 Millionen Euro noch diesen Freitag fällig ist.
Beide Seiten mit konkreten Plänen
Vor dem Hintergrund der festgefahrenen Situation soll der nach Brüssel gereiste Tsipras «im Gepäck den griechischen Vorschlag» für die von den Gläubigern geforderten Reformen haben. Laut Angaben aus Athen soll das 46-seitige Dokument unter anderem eine Reform der Mehrwertsteuer, eine Zusammenführung der Rentenkassen, die Abschaffung von Frühverrentungen und eine Beschleunigung von Privatisierungen umfassen.
Aber auch die Gläubiger dürften EU-Vertretern zufolge konkrete Pläne auf den Tisch legen. Ein entsprechendes Konzept soll am Montagabend in Berlin ausgearbeitet worden sein, als sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident François Hollande, Jean-Claude Juncker, IWF-Chefin Christine Lagarde und EZB-Präsident Mario Draghi getroffen haben – um Athen ein «allerletztes Angebot zu unterbreiten».
(Sendebezug: Echo der Zeit, 2.6./19 Uhr)