Seit Monaten wird in Deutschland über Merkels politische Zukunft spekuliert. Beim Sommerinterview der ARD hätte die Bundeskanzlerin dem ein Ende setzen können – tat sie aber nicht: Angela Merkel lässt weiter offen, ob sie 2017 eine vierte Kanzlerschaft anstreben will. «Ich sage es zum gegebenen Zeitpunkt», meinte sie bloss.
Dieses Zuwarten ist laut SRF-Korrespondent Adrian Arnold ein deutliches Zeichen dafür, dass der CDU-Chefin derzeit die Unterstützung in den eigenen Reihen fehlt. «Da gibt es tiefe Risse zwischen ihr und der CSU, aber auch zwischen ihr und dem konservativen Flügel der CDU.» Für eine erfolgreiche Kandidatur müsse Merkel diese Gräben unbedingt schliessen können.
Merkel verteidigt die «gemeinsame Lösung»
Ob ihr das gelingt, dürfte wesentlich davon abhängen, wie sich die Flüchtlingskrise entwickelt. Im Interview machte Merkel klar: Sie pocht weiter auf eine gesamteuropäische Lösung, bei der «jeder seinen Anteil leisten muss». Allerdings signalisierte Merkel eine gewisse Offenheit für Anpassungen am geplanten Quotensystem. «Wie die einzelnen Komponenten gewichtet werden, muss man sehen», fügte die Kanzlerin hinzu.
Hintergrund ist, dass einige osteuropäische Länder nur wenige oder gar keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, dafür aber Grenzschützer für andere EU-Staaten bereitstellen oder sich an den finanziellen Hilfen für die Versorgung von Flüchtlingen in ihrer Heimatregion beteiligen wollen. Möglicherweise könnte dies auf die von der EU-Kommission vorgeschlagene Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten angerechnet werden. Solche Ideen hatten die Vertreter der Visegrad-Länder Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn der Kanzlerin bei einem Treffen in Warschau unterbreitet.
Merkel machte aber deutlich, wo für sie die rote Linie einer Einigung in der EU liegt: Auf keinen Fall akzeptabel sei, dass einzelne EU-Regierungen sagten: «Muslime wollen wir in unserem Land generell nicht haben», betonte sie. Darüber müsse man in der EU weiter sprechen.
Merkel zu Brexit: «Keine Hektik»
Weiter hat Merkel im Interview für eine besonnene Reaktion der EU auf das Brexit-Votum geworben. «Ehe man hektisch irgendwelche Aktivitäten in Angriff nimmt, sollte man vielleicht erstmal in Ruhe überlegen: Was müssen wir auch besser machen als die 27 verbleibenden EU-Länder?», sagte sie.
Darum gehe es bei ihren Gesprächen mit fast allen EU-Partnern. Merkel hatte in den vergangenen Tagen in mehreren Ländern Gespräche über die Folgen der Brexit-Entscheidung geführt und selbst acht EU-Regierungschefs empfangen. Nötig sei eine klare Bestandsaufnahme der Probleme in der EU.
«Weiterhin mit der Türkei sprechen»
Zu guter Letzt machte sich Merkel dafür stark, die Gespräche mit der Türkei fortzusetzen. «Wenn man nicht miteinander, sondern immer übereinander spricht, dann führt das in den allermeisten Fällen in der Diplomatie zu keinen besonders guten Ergebnissen.» Diskussionen und auch immer wieder Treffen mit türkischen Politikern seien wichtig. Einen konkreten Termin für einen Besuch in der Türkei nannte die deutsche Kanzlerin indes nicht.