Es gibt kein Durchkommen in der Küstenstadt Al-Hoceima, bis jetzt Hochburg der Demonstranten. 10'000 Sicherheitskräfte riegeln die Strassen hermetisch ab. Sie wollen weitere Proteste mit allen Mitteln verhindern.
Die Regierung hat die Rif-Region über Jahrzehnte stark vernachlässigt. Dies ist ein Grund für die grosse Frustration der Menschen, sagt Marokko-Kenner Beat Stauffer.
«Der Hauptgrund ist die sogenannte ‹Hogra›, der verächtliche Umgang der Regierung und der Sicherheitskräfte, des Systems mit den einfachen Menschen. Dazu kommen aber soziale, wirtschaftliche Forderungen sowie die Forderung nach einer effektiven Bekämpfung der Korruption.»
Die Gewalt hat in den letzten Tagen stark zugenommen. Dutzende Menschen sind verletzt worden. Die Polizei hat mehr als 100 Aktivisten verhaftet.
In grossen Städten wie in Rabat gab es vereinzelt Solidaritätsbekundungen mit den Rif-Bewohnern. Doch Unterstützung aus ganz Marokko fehlt. Zu sehr schrecken viele Bewohner die Zustände in Bürgerkriegsländern wie Libyen oder Syrien ab.
Mehr Menschen auf der Flucht
Eine Folge der Proteste: Weniger Polizisten bewachen die marokkanische Küste. In den letzten Monaten sind deutlich mehr Menschen von Marokko aus geflüchtet als im Vorjahr.
«Europa muss sich gefasst machen, auf eine grössere Anzahl von Flüchtenden aus Marokko», so Stauffer. «Zum einen von Aktivisten aus dem Rif-Gebiet, zum anderen von jungen Marokkanern, die eh nach Europa wollen und die jetzt von der weniger stark kontrollierten Grenze im Norden Marokkos profitieren.»
Marokko ist zwar immer noch das stabilste Land im Maghreb. Doch der Unmut und die sozialen Spannungen sind eine grosse Hypothek für die Zukunft.