SRF News: Der Westen hatte schon vermutet, dass der Absturz einer russischen Maschine über dem Sinai die Handschrift des IS trägt. Moskau bestätigt dies nun. Welche Indizien sprechen denn dafür?
David Nauer: Russland hat Trümmer des Flugzeugs und Gepäckstücke untersucht. Dabei hat man offenbar Spuren von Sprengstoff gefunden. Der russische Inlandgeheimdienst FSB, der dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Ergebnisse der Untersuchungen vor laufenden TV-Kameras präsentierte, sagte, man könne eindeutig von einem Anschlag sprechen.
Ist es purer Zufall, dass Russland gerade jetzt den Absturz als Attentat deklariert?
Nein. Natürlich haben die russischen Behörden auch einfach etwas Zeit gebraucht, um Untersuchungen zu machen. Gleichzeitig haben die Anschläge in Paris auch für Russland viel verändert. Die Regierung in Moskau hat lange versucht, die Terrorthese herunterzuspielen. Wohl auch, weil man nicht wollte, dass die eigene Bevölkerung einen Zusammenhang zum Einsatz in Syrien herstellt. Nun, da auch Europa vom IS angegriffen wurde, ist es eine gute Zeit, zu sagen: Ja, auch wir sind Opfer einer Terrorattacke geworden. Im Flugzeug war eine Bombe.
Ist das die Botschaft, die Präsident Putin an die westlichen Länder aussenden möchte?
Ja. Es gibt tatsächlich Hinweise, dass Russland in Sachen Terrorbekämpfung eine Annäherung an den Westen sucht. Putin sagte heute explizit, man müsse mit den Partnern zusammenarbeiten. Gemeint ist damit der Westen. Er meinte auch, dass westliche Länder dabei helfen könnten, die Drahtzieher des Anschlags zu finden.
Putin sagte auch, Russland werde das Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen. Was bedeutet das?
Einerseits geht es dem russischen Präsidenten sicher darum, gegen innen zu signalisieren: Wir lassen die Terroristen, die dieses Flugzeug zum Absturz gebracht haben, nicht einfach laufen. Wir sind harte Kerle. Andererseits sagte er auch ganz klar, er werde die Luftschläge in Syrien intensivieren. Wobei die Möglichkeiten Russlands diesbezüglich begrenzt sind. Der Armee reicht die Kraft nicht, Bodentruppen zu einzusetzen. Auch die Luftwaffe kann nicht endlos aufrüsten in Syrien. Zudem gibt es ein politisches Problem. Es betrifft die Zusammenarbeit mit dem Westen. Russland unterstützt nach wie vor den syrischen Präsidenten Assad. Der Westen will Assad baldmöglichst weghaben. Wie dieser Gegensatz aufgelöst werden soll, ist bisher noch unklar.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovitsch.