Es war ein Inferno, damals in der Nacht vom 13. Februar 1945. Dresden, die jahrhundertealte Barockstadt voller Kulturschätze, wurde dem Erdboden gleichgemacht – elf Wochen vor Kriegsende. Mehr als tausend britische und US-amerikanische Flugzeuge liessen stundenlang, tagelang Bomben niederprasseln.
Inge Wenzel erinnert sich, als wäre es gestern gewesen: An das Pfeifen und Donnern, das Phosphor, das von den Wänden tropfte, die lodernden Kohlekeller, die erstickenden Menschen. Die damals zehnjährige Inge war mittendrin – und überlebte wie durch ein Wunder.
Opfer-Mythos war Propaganda
Wenzels Eltern waren beide Mitglieder der NSDAP. Für Inge Wenzel ist klar: Das Elend hatten sich die Deutschen selber zuzuschreiben. Die Nationalsozialisten hatten den Luftkrieg begonnen. Auch Matthias Neutzner vom Verein Memorare Pacem sagt, deutsches Leid könne nicht losgelöst werden von der historischen Verantwortung.
«Wer die Bombardierung Dresdens als Opfermythos propagiert, verfolgt ganz offensichtlich eigene politische Ziele», sagt Neutzner, der im Auftrag der Stadt Dresden die genauen Opferzahlen der Bombennacht Dresdens ermittelt hat: Es waren zwischen 18'000 und 25'000.
«Der Bombenangriff war keine Bestrafungsaktion der Alliierten», sagt Neutzner. Er folgte der zynischen Arithmetik des Krieges: Dresden war eine Nazihochburg mit grosser Rüstungsindustrie und als Verkehrsknotenpunkt für die Versorgung der Ostfront entscheidend.
Doch die Nazis stilisierten die Stadt zur unschuldigen Kulturstadt mit unerreichtem Symbolwert. Und sie manipulierten die Zahl der Getöteten in Dresden, indem sie sie verzehnfachten. Damit wurde ein Superlativ geschaffen, der die eigene Bevölkerung zum letzten Mal moralisch mobilisieren sollte.
Rechte instrumentalisieren die Geschichte
Die Propaganda blieb haften. Noch heute marschieren in Dresden Rechte und Neonazis im Gedenken an den angeblichen «Bombenterror». Schützenhilfe erhaltene sie von der AfD. In einem Interview mit dem «Spiegel» behauptete Co-Chef Tino Chrupalla diese Woche, er sei überzeugt, die Opferzahlen von Dresden seien höher, als die offizielle Forschung belegt. Björn Höcke vom völkischen Flügel in der AfD verlangt eine «erinnerungspolitische Wende um 180 Grad» in Bezug auf die deutsche Geschichte des letzten Jahrhunderts, und Fraktionschefin Alice Weidel will endlich Schluss machen mit dem «Schuldkult».
«Das ist unmöglich!», sagt Inge Wenzel. «Aber die sind zu jung. Die haben es nicht erlebt. Krieg, Bomben, als könnten sie von vorne anfangen. Das ist gruselig.» Inge Wenzel und mit ihr ein Grossteil der Dresdnerinnen und Dresdner setzen sich ein für eine Erinnerungskultur der Versöhnung und des Friedens. Denn für Wenzel kann es aus jener Nacht nur eine Lehre geben: «Nie wieder Krieg. Bitte nicht mehr.»
SRF 4 News, 13.2.2020, 13.30 Uhr