Nach dem schweren Erdbeben in Mittelitalien haben Nachbeben in der Nacht auf Montag die Menschen in der betroffenen Region in Angst und Schrecken versetzt. Das stärkste Beben hatte eine Stärke von 4,2, wie die italienische Erdbebenwarte INGV mitteilte. Das Zentrum lag wie das am Sonntag in der Nähe der Kleinstadt Norcia in Umbrien.
Notunterkunft von Nachbeben zerstört
Inzwischen haben die Behörden die Menschen der Region um Norcia aufgerufen, die betroffenen Orte zu verlassen. Wegen anhaltender kleinerer Nachbeben sind die 4000 Einwohner des Städtchens selbst inzwischen evakuiert worden, erklärte Luca Cari, der Sprecher der Feuerwehr.
Der Zivilschutz hat mittlerweile erste Zelte aufgebaut, um den Einsatz zu koordinieren und die Bevölkerung mit dem Nötigsten zu versorgen. Eigentlich sollte für Notfälle eine Mehrzweckhalle bereitstehen, doch auch sie wurde durch das Erdbeben am Sonntagmorgen teilweise zerstört.
Mehr als 10'000 weitere Personen kamen demnach in Turnhallen oder anderen Behelfsunterkünften und in Zelten unter. Einige Menschen verbrachten die Nacht auch in einem Zug, den die Bahngesellschaft Trenitalia in der Stadt Fabriano zur Verfügung gestellt hatte.
Auch Rom bleibt nicht verschont
Die Zahl der Obdachlosen ist allein in der Region Marken auf mehr als 25'000 angestiegen. Diese Zahl könne noch variieren, sagte der Präsident der Region, Luca Ceriscioli.
Selbst im rund 110 Kilometer Luftlinie entfernten Rom entstanden Schäden. Zwei Kirchen wurden aus Sicherheitsgründen gesperrt, darunter nach Informationen der Nachrichtenagentur Ansa die Kirche San Francesco in der Nähe des Forums und die Kirche am Platz Sant'Eustachio, der bei Touristen sehr beliebt ist.
Das stärkste Beben in Italien seit 36 Jahren hatte am Sonntag historische Ortschaften wie Norcia und zahlreiche Kulturgüter zerstört. Viele Gemeinden lagen in Schutt und Asche, Strassen waren nicht passierbar.
Die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi will am Montag in einer Kabinettssitzung über die Lage beraten. Der Ministerpräsident hatte schnelle Hilfe versprochen. «Wir werden alles wieder aufbauen: die Häuser, die Kirchen und die Geschäfte», versprach Renzi in Rom.
Weitere Beben sind wahrscheinlich
Die Erschütterung mit einer Stärke von etwa 6,5 ist laut Seismologen eine Folge der verheerenden Erdstösse im Sommer rund um das Bergstädtchen Amatrice.
«Das Beben gehört klar zu einer Sequenz», erklärt Professor Domenico Giardini von der ETH Zürich. «Das heisst, es handelt sich hier nicht um normale Nachbeben, sondern um Beben innerhalb einer Sequenz, wie sie für den Apennin typisch sind. Eine Sequenz kann sich über mehrere Monate hinziehen, die Beben können jeweils grösser oder kleiner werden. Wir haben keine Indizien, wonach die Sequenz zu Ende ist. Es könnte noch zu weiteren Beben kommen.»
Die bisherige Bilanz des Bebens
- Neun Verletzte wurden in der Ortschaft Norcia gemeldet. Die im 14. Jahrhundert errichtete Basilika des Heiligen Benedikt stürzte ein. Auch die Kathedrale von Santa Maria Argentea stürzte ein. Lediglich Teile der Fassaden blieben erhalten.
- In Amatrice wurde der Turm der Kirche des Heiligen Augustin zerstört, der beim ersten Erdbeben im August trotz schwerer Schäden des Gebäudes noch erhalten geblieben war. Beim schweren Erdbeben Ende August kamen von den fast 300 Todesopfern am meisten Menschen in Amatrice ums Leben.
- Das Spital der umbrischen Stadt Cascia musste evakuiert werden.
- In der Ortschaft Arquata stürzten unzählige Gebäude ein, die bereits bei den Erdbeben am Mittwochabend schwer beschädigt worden waren.
Einschätzung von SRF-Korrespondent Philipp Zahn
Einschätzung von SRF-Korrespondent Philipp Zahn |
«Die Bewohner in Mittelitalien kommen bei diesem Erdbeben glimpflich davon, weil viele seit dem letzten Beben die Nächte draussen verbracht haben. Die Erdstösse waren sehr heftig, vor allem in Norcia gibt es grosse Schäden, gerade in der Altstadt. Insgesamt hat der Ort die Beben der letzten Tage aber relativ gut überstanden. Nach den grossen Erdbeben 1997 in Umbrien hat man in Norcia viel Geld in die Bausubstanz investiert, und das hat sich bewährt.» |