- Experten gehen davon aus, dass jedes Jahr Millionen von Menschen zu Opfern von Menschenhandel werden.
- Da Menschenhandel meist im Verborgenen betrieben wird, gibt es nur sehr wenige Zahlen dazu.
- Jetzt hat die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Zusammenarbeit mit einigen Partnerorganisationen einen riesigen Datensatz veröffentlicht.
Die Meldung ist wenige Tage alt: Bei einer von Interpol koordinierten Aktion in Westafrika sind Ende November 500 Opfer von Menschenhandel gerettet worden. 236 davon waren minderjährig. Unter den Opfern befand sich ein 16-jähriges Mädchen aus Nigeria, das mit dem Versprechen auf Arbeit angelockt und dann zur Prostitution gezwungen wurde.
Jetzt hat die IOM einen Datensatz veröffentlicht, der dabei hilft, Geschichten wie diejenige des nigerianischen Mädchens besser zu verstehen. Gemeinsam mit verschiedenen Partnerorganisationen sammelte die Organisation Angaben von 80'000 Personen, die zu Opfern von Menschenhandel geworden sind. Der daraus entstandene Datensatz enthält nach einem speziellen Anonymisierungsverfahren noch etwa 47'000 Einträge.
Ersichtlich werden daraus Regelmässigkeiten. Etwa dazu, welche Personen die Opfer am häufigsten in die Arme der Sklavenhändler treiben: Bekannte, Familienmitglieder, Menschen, mit denen die Opfer eine romantische Beziehung führen oder andere. Die genauere Auswertung der IOM selbst zeigt, dass fast die Hälfte aller Kinder von einem Familienmitglied an die Menschenhändler verkauft wurden.
Die Grausamkeit des Menschenhandels
Vollständig sind die Angaben allerdings nicht. Die IOM weist darauf hin, dass Menschenhandel im Verborgenen betrieben wird und es deshalb nicht möglich ist, einen repräsentativen Datensatz zu erstellen. Bei vielen Abschnitten im Datensatz überwiegen die Fälle, zu denen es keine Angaben gibt. Zudem können die verschiedenen beitragenden Organisationen nur Fälle von identifizierten Opfern oder Personen, die sich selbst gemeldet haben, eintragen. Das führe dazu, dass gewisse Arten der Ausnutzung oder geografische Regionen tendenziell stärker vertreten seien, schreiben die Autoren des Datensatzes.
Trotz ihrer Lückenhaftigkeit zeigen die Daten die unendliche Grausamkeit des Geschäfts mit dem menschlichen Leben. So sind etwa 1353 Fälle dokumentiert, bei denen die Opfer durch Drogen gefügig gemacht wurden, und 109 Fälle, bei denen die Kinder der Opfer eingesetzt wurden, um diese zur Arbeit zu zwingen.
Moderne Sklaverei geschieht im Verborgenen. Umfassende Datensätze sind deshalb wichtig, um den Druck auf den Menschenhandel gezielt zu verstärken und mehr Betroffene zur erreichen.
Auffällig ist auch die grosse Anzahl der weiblichen Opfer, die zu sexuellen Dienstleistungen gezwungen wurde: 98 Prozent alle dokumentierten Fälle werden laut der IOM mit sexueller Ausbeutung in Verbindung gebracht. Aufgezeichnet wurden etwa Fälle von Prostitution, Pornografie, sexuelle Online-Dienstleistungen oder Privatsklaverei.
Mit dem Datensatz und den Auswertungsmöglichkeiten, die er bietet, soll jetzt der Kampf gegen den internationalen Menschenhandel verstärkt werden. «Moderne Sklaverei geschieht im Verborgenen. Umfassende Datensätze sind deshalb wichtig, um den Druck auf den Menschenhandel gezielt zu verstärken und mehr Betroffene zur erreichen», sagt Bradley Myles, CEO der NGO Polaris, die an der Auswertung des Datensatzes beteiligt war.
Der Datensatz ist öffentlich und die Beteiligten hoffen, dass auch weitere Organisationen, die gegen Menschenhandel vorgehen, ihre Ergebnisse einspeisen. Interessierte finden ihn hier, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen.