Das Wichtigste in Kürze:
- Laut UNO-Angaben wird mit Menschenhandel weltweit 32 Milliarden Dollar Umsatz erzielt.
- Die Schweiz bekämpft seit 5 Jahren das Phänomen mit einem Aktionsplan.
- Hierzulande gibt es bislang sehr wenig Verurteilungen wegen Menschenhandel.
Das Schweizer Asylwesen schützt mögliche Opfer von Menschenhandel, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen zu wenig – das kritisieren Schweizer Hilfsorganisationen, die UNO und auch der Europarat. Das Problem sei erkannt, sagen die Bundesbehörden. Wie könnte man die Opfer besser schützen?
Aktionsplan ins Leben gerufen
Die UNO-Sonderberichterstatterin für Menschenhandel, Maria Grazia Giammarinaro, wünscht sich eine «kreative Phase» im Kampf gegen den Menschenhandel. Gerade bei Menschen, die in einem Asyl-Verfahren steckten. Es seien so viele Menschen auf der Flucht von Menschenhandel betroffen, dass rein strafrechtliche Massnahmen zu wenig brächten.
Die Schweiz versucht einiges: Seit 5 Jahren bekämpft sie Menschenhandel mithilfe eines Aktionsplans. In der laufenden Legislatur ist der Kampf gegen den Menschenhandel zu einer der kriminalstrategischen Prioritäten erklärt worden. Ende letzten Jahres fand im Tessin eine Interpol-Tagung zum Thema statt. Justizministerin Simonetta Sommaruga rief dort zu mehr internationaler Zusammenarbeit auf im Kampf gegen den Menschenhandel. Die Schweiz will Betroffene schützen, wenn sie beispielsweise bereit sind, vor Gericht gegen Drahtzieher und Täter auszusagen. Dieser Schutz kommt aber nur zum Zug, wenn die Ausbeutung in der Schweiz stattgefunden hat.
Menschenhandel und Sklavenarbeit
Das Verbrechen Menschenhandel definiert die UNO in drei Punkten: 1. Die Tat: Betroffene werden rekrutiert, transportiert, übergeben, untergebracht oder in Empfang genommen. 2. Die Mittel: Zwang, Gewaltandrohung, Täuschung oder das Ausnutzen einer Situation 3. Der Zweck: Sexuelle Ausbeutung oder Zwangsarbeit |
Die Opfer: Im Zusammenhang mit Menschenhandel ist die hohe Zahl an Migranten und Flüchtlingen beunruhigend. Menschen auf der Flucht sind speziell gefährdet, Opfer von Menschenhandel zu werden – es besteht ein klarer Zusammenhang: Am Beginn jeder Geschichte steht der Wunsch nach einem besseren Leben. |
Moderne Sklaverei: Am häufigsten sind sexuelle Ausbeutung und Zwangsarbeit – darin eingeschlossen sind Formen wie Prostitution, Pornographie, Zwangsbetteln, Organhandel, Zwangsarbeit in Haushalten und Scheinheirat – sie machen über 90 Prozent aller Fälle von Menschenhandel aus. |
Gedenktag: Der 25. März ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer der Sklaverei. Mit diesem Tag will die UNO auch auf die heute wirtschaftlich Abhängigen aufmerksam machen. |
Opferschutz oder Asylverfahren?
Zu Verurteilungen wegen Menschenhandels kommt es allerdings kaum – diese lassen sich für die letzten Jahre jeweils an einer Hand abzählen.
Wenn die Opfer in einem Asylverfahren stehen, geht das Asylrecht mit seinen Fristen vor. Das möchte Constantin Hruschka von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ändern: «Der Opferschutz ist vorgeschrieben, der Asylschutz auch. Die Frage ist: Was mache ich zuerst.» Die Flüchtlingshilfe sei der Ansicht, man müsse zuerst untersuchen, ob tatsächlich ein Fall von Menschenhandel vorliege. Erst danach soll eine seriöse Abklärung des asylrechtlichen Sachverhalts durchgeführt werden.
Es gibt keinen Ablauf, der sicherstellt, dass Betroffene geschützt und unterstützt werden.
Bei den Asylbefragungen fallen dem Staatssekretariat für Migration (SEM) im Jahr durchschnittlich 70 Opfer von Menschenhandel auf. In den meisten Fällen seien es Frauen aus Nigeria oder aus Eritrea. 80 Prozent der Opfer sind Frauen, ein Drittel davon stammen aus Nigeria. Bei den ausgebeuteten Männern handelt es sich vor allem um Eritreer und Afghanen. Die Opfer werden gezwungen, sich zu prostituieren, zu heiraten oder sie werden als Arbeitskraft ausgebeutet.
Wenn das Opfer mit dem Peiniger zusammenlebt
Und was passiert mit den Opfern, wenn sie in der Schweiz im Asylverfahren sind? Suzanne Seytter von der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) in Zürich kritisiert: «Es gibt keinen Ablauf, der sicherstellt, dass Betroffene geschützt und unterstützt werden.»
Solche Opfer können nicht unbedingt im Land bleiben. Es komme auch vor, dass sie mit ihren Peinigern gemeinsam in einer Asylunterkunft wohnen, sagt Seytter. Meist erhalten sie zwar eine vorläufige Aufnahme – aus unterschiedlichen Gründen, wie Gefährdung im Herkunftsland, schlechte psychische oder körperliche Verfassung. Aber sobald sich die Ausgangslage ändert, müssen sie die Schweiz verlassen.
Risiko der Ausbeutung steigt
UNO-Sonderberichterstatterin Giammarinaro fände es deshalb wünschenswert, wenn sich die Hilfsorganisationen, die mit ausgebeuteten und verkauften Menschen zu tun haben, mehr in die staatlichen Abläufe einbringen. Die Hilfsorganisationen wiederum fordern, in einem Verdachtsfall das Asylverfahren zu sistieren und auf ein Schnellverfahren zu verzichten – wie in Deutschland.
Die Sensibilisierung hat zugenommen. Da stimmen Hilfsorganisationen und Behörden überein. Selbst der Bund stellt fest: Je schwieriger es für Menschen wird, legal nach Europa zu kommen, desto teurer und gefährlicher werden ihre Routen. Desto mehr steigt das Risiko der Ausbeutung – im Heimatland, auf der Flucht, aber auch in der Schweiz. Und an dieser Situation wird sich so rasch auch nichts ändern.