Im Mordprozess gegen den südafrikanischen Sprintstar Oscar Pistorius hat ein Experte für Mobiltelefone aufgedeckt, dass sich Reeva Steenkamp zeitweise vor ihrem Freund fürchtete. «Ich habe manchmal Angst vor Dir und davor, wie Du mir gegenüber reagierst», schrieb das Model demnach wenige Monate vor ihrem Tod in einer SMS. Pistorius hatte hingegen stets betont, die Beziehung zu der 29-Jährigen sei glücklich gewesen.
Pistorius war sehr eifersüchtig
Für den Prozess seien insgesamt mehr als 2000 Textnachrichten auf verschiedenen Handys analysiert worden, sagt die Prozessbeobachterin und Journalistin Dagmar Wittek gegenüber SRF. Davon seien 90 Prozent liebevolle Botschaften zwischen Pistorius und Steenkamp. «Aber es sind auch einige sehr aussagekräftige und möglicherweise entscheidende dabei.» So würden einige SMS belegen, dass die beiden stritten und Pistorius sehr eifersüchtig war.
Auch eine neue Aussage einer Nachbarin von Pistorius belastet den Angeklagten, die Schüsse auf Steenkamp vorsätzlich abgegeben zu haben. Die Frau sagte am Montag aus, sie habe in der Tatnacht zuerst Schüsse und dann erst Schreie einer Frau gehört. Anschliessend seien weitere Schüsse gefallen.
Nachbarin stützt Mordthese
Mit ihrer Aussage stützt die Nachbarin die Version früherer Zeugen, die zuerst Schreie, dann einen Schuss gefolgt von Angstschreien einer Frau und drei weiteren Schüssen gehört hatten. Zugleich brachte sie die Darstellung von Pistorius ins Wanken, wonach er seine Freundin für einen Einbrecher gehalten und deshalb auf sie geschossen habe.
Die Verteidigung ihrerseits argumentierte, die Schüsse seien so schnell abgefeuert worden, dass die 29-jährige Steenkamp keine Zeit mehr gehabt habe zu schreien und ihren Freund darauf aufmerksam zu machen, dass sie im Badezimmer war. Ausserdem machten Pistorius' Anwälte geltend, dass der Angeklagte selbst «wie eine Frau» schreie, wenn er in Panik gerate.
Hitzköpfig und aufbrausend
Gefragt nach einer Bilanz des nun drei Wochen dauernden Prozesses sagt die Journalistin Wittek: «Klar ist, dass Pistorius kein ruhiger, ausgeglichener, immer liebevoller Mensch ist.» Viele Zeugenaussagen würden belegen, dass er aufbrausend, eifersüchtig und hitzköpfig sei. Auch liebe und besitze der gefallene Sportstar Waffen, die er schon vor den Todesschüssen zwei Mal in der Öffentlichkeit abgefeuert habe.
Wenn man das bisher in dem Prozess Gehörte zusammenfasse, sei die Mordthese der Anklage «möglicherweise zu halten», so Wittek. «Es klingt wahrscheinlich, dass ein Streit oder Eifersuchtsdrama den Schüssen vorausgegangen ist.»
Noch diese Woche will die Staatsanwaltschaft ihre Beweisaufnahme beenden; anschliessend ist die Verteidigung an der Reihe mit der Präsentation von Zeugen. Der Prozess dauert bereits länger als geplant und wird bis zum 16. Mai verlängert. Ursprünglich sollte der Prozess nach drei Wochen am 20. März zu Ende sein.
Star-Verteidiger und Dutzende Zeugen
Für die Verzögerung macht Wittek mehrere Gründe aus. So handle es sich um einen Showprozess: «Ein nationaler Held steht vor Gericht.» Pistorius sei ein Millionär, der es sich leisten könne, die Top-Verteidiger des Landes anzuheuern. «Die zerpflücken natürlich jedes Wörtchen der Zeugen und das dauert», so die Prozessbeobachterin. Zudem habe allein die Staatsanwaltschaft mehr als 100 Zeugen aufgeboten.
Der 27-jährige Pistorius muss sich seit Anfang März vor Gericht in Pretoria verantworten. Der unterhalb der Knie amputierte Sprintstar hatte seine Freundin Reeva Steenkamp in der Nacht zum Valentinstag vergangenen Jahres durch die geschlossene Toilettentür seines Hauses erschossen.