Erstmals wurde ein Land wegen der illegalen Inhaftierung von Terrorverdächtigen in einem geheimen CIA-Gefängnis verurteilt. In der Entscheidung von Donnerstag macht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Polen mitverantwortlich für Verstösse gegen Folterverbot und unmenschliche Behandlung.
«Polen kannte die Art und Absichten der CIA-Aktivitäten auf seinem Territorium zu dieser Zeit», hiess es in der Urteilsbegründung. Polen habe sich mitverantwortlich und zum Mittäter gemacht, als es 2003 dem US-Geheimdienst CIA die Einrichtung eines geheimen Gefängnisses in Stary Kierkuty in Nordostpolen und die Gefangenentransporte erlaubte.
Nach dem noch nicht rechtskräftigen Urteil muss Polen den beiden Klägern, einem Palästinenser und einem Mann aus Saudi-Arabien, je 100'000 Euro Schmerzensgeld zahlen.
Langwierige Ermittlungen als «Staatsfeind»
Der ehemalige Ständerat Dick Marty, der die Existenz der Gefängnisse im Auftrag des Europarats in zwei Berichten aufdeckte, ist erfreut: «Das ist ein Sieg der Justiz gegen die Willkür der Regierungen, die sich im Namen des Kriegs gegen den Terror alles erlaubt haben.» Das Urteil zeige, wie wichtig der Europäische Menschenrechtsgerichtshof für die Freiheit der Bürger sei.
Bis zu diesem Urteil sei es aber ein langer, einsamer Weg gewesen, erinnert sich der ehemalige Staatsanwalt des Kantons Tessin. «Ich war zu Beginn der Ermittlungen mit einem jungen Mitarbeiter alleine.» In akribischer Kleinarbeit hätten sie verdächtige Flugbewegungen analysiert und seien von eher unbedeutenden Quellen schliesslich an hochrangige Informanten gelangt.
Alle Informationen in den Berichten von 2006 und 2007 seien mittlerweile bestätigt worden, sagt der 69-Jährige. «Zu Beginn hat mir aber niemand geglaubt.» In Polen habe man ihn sogar als Staatsfeind betrachtet.
Illegale Methoden legitimieren Terrorismus
Zudem sei die politische Führung vom amerikanischen Geheimdienst zum Schweigen gebracht worden. «Nicht nur in Polen, sondern in Rumänien, Bulgarien, Deutschland, Italien oder Frankreich», sagt Marty. «Alle haben mit der CIA zusammengearbeitet und bei der Verschleppung von Gefangenen nach Guantánamo oder Bagdad geholfen.»
Bis heute würden sich diese Regierungen weigern, die Wahrheit offenzulegen. Der Kampf gegen den Terrorismus sei natürlich wichtig, sagt Marty. «Mit solchen illegalen Mitteln verschaffen wir den Terroristen aber nur die Legitimation für ihren Kampf.»