Die FPÖ will ihre Niederlage bei der Stichwahl zum österreichischen Bundespräsidenten nicht hinnehmen und zieht gegen das Ergebnis vor Gericht. Eine 150-seitige Anfechtung wegen Ungereimtheiten bei der Auszählung ging am Mittwoch beim Verfassungsgerichtshof in Wien ein. Das bestätigte ein Sprecher des Gerichts.
FPÖ-Kandidat Norbert Hofer war bei der Stichwahl am 22. Mai nur knapp seinem Kontrahenten Alexander Van der Bellen unterlegen. Dieser war von den Grünen unterstützt worden. Nach dem amtlichen Endergebnis hatte Van der Bellen einen Vorsprung von 30'863 Stimmen.
Irritation über Zeitpunkt der Auszählung
Die rechtspopulistische FPÖ kritisiert vor allem den Umgang mit der Briefwahl. Das Innenministerium hatte in mehreren Fällen festgestellt, dass Wahlbezirke die Auszählung der letztlich entscheidenden Briefwahlstimmen bereits am Wahlabend begonnen hatten. Gesetzlich erlaubt ist diese Auszählung erst am Folgetag.
Hofer vergleicht Resultat mit Krim-Abstimmung
In den meisten Bezirken sei mit der Zählung der Briefstimmen vor Ankunft der Mitglieder der offiziellen Wahlkommission begonnen worden, sagte FPÖ-Parteiführer Heinz-Christian Strache an einer Medienkonferenz. Vor allem seien gültige und ungültige Stimmen ohne offizielle Aufsicht vorsortiert worden. Das lasse seine Partei misstrauisch werden.
Strache sprach zugleich von mehreren Fällen, in denen das Wahlgesetz gebrochen worden sei. So hätten in einem niederösterreichischen Dorf sechs Jugendliche an der Wahl teilgenommen, die noch keine 16 Jahre alt seien. Andernorts fehlten aktualisierte Wählerverzeichnisse. Diese Fälle hätten allein hätten nach seinen Worten aber noch keine Wahlanfechtung gerechtfertigt. Es gehe also nicht um ein paar Schlampereifehler, sondern weil nichts weniger als die Demokratie auf dem Spiel stehe.
«Da darf man am Wahlvorgang in der Krim keine Kritik üben, wenn man das zulassen würde», kommentierte FPÖ-Kandidat Hofer das Wahlergebnis auf Anfrage der österreichischen Nachrichtenagentur APA.
Ein Urteil des Gerichts, das noch vor der Vereidigung des Bundespräsidenten am 8. Juli vorliegen soll, würde nach Überzeugung des Wahlleiters Robert Stein nur zu einer Teilwiederholung der Wahl in den betroffenen Bezirken führen.
«Die FPÖ ist Meister darin, Aufmerksamkeit zu generieren»
Einschätzung von SRF-Auslandredaktor Joe Schelbert: «Eine Wiederholung der Wahl kann ich mir nicht vorstellen. Eine Nachprüfung der für ungültig erklärten Stimmen wird es aber sicher geben. Allerdings sind das nur 31'000 Stimmen, die Differenz zwischen den beiden Kandidaten betrug ebenso viele Stimmen. Vorstellbar sind auch Wahlwiederholungen in einzelnen Bezirken. Am Resultat wird sich deswegen kaum etwas ändern. Es gab zwar tatsächlich Fehler – man hat mit der Auszählung der Briefwahlstimmen begonnen, bevor das offiziell erlaubt war. Von Manipulation oder einer gefährdeten Demokratie kann man deswegen aber nicht sprechen. Die Freiheitlichen sind Meister darin, Aufmerksamkeit zu generieren. Und auch darin, sich als Opfer der Mächtigen und der Medien darzustellen.» |