Ein internationales Journalistenkonsortium um die «Süddeutsche Zeitung» hat 214'000 Briefkastenfirmen in Panama aufgedeckt. Unklar ist, inwieweit die bekannt gewordenen Geschäfte unrechtmässig sind. Chefredaktor Wolfgang Krach sprach jüngst auch von Druckversuchen, die Quelle preiszugeben.
SRF News: Sie sagen, sie würden die Quelle unter allen Umständen schützen – wer setzt Sie unter Druck?
Wolfgang Krach: Es gibt Aufforderungen zum Beispiel der deutschen Finanzminister, dass wir die Unterlagen den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellen. Auch aus der Leserschaft kommen immer wieder Fragen, warum wir das nicht machen. Wir haben deshalb erklärt, dass wir es nicht machen und aus welchen Gründen wir es nicht machen können.
Wäre es nicht im Sinne der Untersuchungen und der Quelle, dass die Daten als Beweismittel zur Verfügung gestellt werden?
Ich kann grundsätzlich dieses Bestreben und den Wunsch sehr gut verstehen, da es in den Unterlagen konkrete Hinweise auf Straftaten gibt. Dagegen stehen aber unser journalistisches Interesse und unsere journalistische Aufgabe. Ebenso, dass die Quelle uns die Informationen ausdrücklich zu journalistischen Zwecken und zur journalistischen Auswertung überlassen hat. Am Anfang wurde auch ganz klar gesagt, dass wir alles tun müssen, um die Quelle zu schützen. Die Quelle sagt uns selber: Ich bin in Lebensgefahr.
Das internationale Konsortium investigativer Journalisten ist eine Organisation von mehr als 160 Journalisten in 65 Ländern - insgesamt kooperieren 400 Journalisten – wer kennt die Quelle überhaupt ausser Ihnen?
Wir kennen die Quelle. Und zwar in dem Sinn, dass sich diese Quelle an uns gewandt hat – anonym als John Doe. Mehr kann ich und will ich über diese Quelle nicht sagen, weil wir die Quelle schützen.
Welche Verantwortung tragen Sie als Chefredaktor, wenn Sie ein solches investigatives Grossmanöver auslösen?
Wir tragen die Verantwortung für den sorgfältigen Umgang mit den Inhalt dieser Unterlagen. So können wir eine ganze Reihe von Informationen aus diesen Unterlagen gar nicht verwenden, weil es um private, intime Daten von Menschen geht, von denen wir aufgrund der Unterlagen keinerlei Indizien haben, dass sie sich strafbar gemacht haben.
Wir können nur über jene Fälle berichten, wo sich aufgrund der Unterlagen ein Verdacht auf Straftaten ergibt. Alle diese Punkte müssen verifiziert werden. Am Schluss müssen die Betroffenen mit dem Ergebnis unserer Recherchen konfrontiert werden. Das gehört zu unserer Sorgfaltspflicht.
Wie behalten sie die Kontrolle über die Daten und die Sicherheit der Quelle?
Indem wir möglichst wenig darüber reden.
Es ist eine Schema X, das da abläuft. Ein Whistleblower löste eine Lawine aus, die Medien haben eine Erfolgsgeschichte und am Ende leidet der Whistleblower darunter. Sehen Sie eine Möglichkeit, diesen Teufelskreis zu brechen?
Der Whistleblower leidet dann darunter, wenn er bekannt wird. Wir werden alles tun, die Quelle, die uns die Unterlagen überlassen hat, zu schützen. Wir haben bislang keinen Hinweis darauf, dass die Quelle darunter leidet.
Sollte es im schlimmsten Fall nicht gelingen, die Quelle zu schützen, könnten Sie das Leben der Quelle schützen?
Ich weiss nicht, wie wir einen Menschen schützen sollten. Wir sind keine Polizei und kein Sicherheitsdienst. Wir sind Journalisten.
Das Interview führte Isabelle Jacobi.