Die Lage im Bürgerkriegsland Syrien wird immer verworrener: Dutzende Brigaden Aufständischer haben sich unter das Kommando eines islamistischen Rebellenführers gestellt. Erklärtes Ziel der Extremisten: Die Einführung der Scharia als einzige Rechtsgrundlage.
Damit verstärkt sich ein Trend immer mehr, der seit einigen Wochen zu beobachten ist: Die Kräfte des bewaffnetem Aufstands gegen das Regime von Baschar al-Assad ziehen nicht mehr am gleichen Strick, die Freie Syrische Armee und die im Ausland tätige Syrische Nationale Koalition (SNC) verlieren weiter an Einfluss. Das religiös-ethnische Element im syrischen Bürgerkrieg verstärkt sich.
Extremisten werden stärker
Der Zusammenschluss der islamistischen Kämpfer bedeutet eine Konsolidierung der extremistischen Kräfte: «Die Rebellion in Syrien war ja immer schon sehr zersplittert», sagt SRF-Korrespondent Philipp Scholkmann in Beirut. Mit dem Bündnis könnten die Extremisten innerhalb der Aufständischen nun stärker werden.
Die Stärkung der islamistischen Kräfte geht einher mit einer Schwächung der Freien Syrischen Armee. Letztere wird vom Westen gerne als Zusammenschluss vor allem säkularer, also nicht-islamistischer Kämpfer gesehen. Allerdings: «Die These, dass der bewaffnete Aufstand gegen Assad mehrheitlich gemässigt sei, war eine Illusion», betont der Korrespondent.
«Die radikalsten Islamistengruppen sind die schlagkräftigsten»
Fast alle Einheiten Aufständischer hätten sich den Islam in der einen oder anderen Form auf die Fahne geschrieben. Und: «Die radikalsten unter den Islamisten sind offensichtlich die schlagkräftigsten», so Scholkmann. Sie hätten die besten Geldquellen im Ausland und seien am besten ausgerüstet. Dies im Gegensatz zu vielen lokalen Rebellengruppen.
Deshalb wenden sich viele der bislang Gemässigten inzwischen den Extremisten zu. Allerdings gibt es auch das Gegenteil: Immer wieder wird aus Syrien von Kämpfen zwischen extremen und gemässigten Kräften innerhalb des bewaffneten Aufstands berichtet.
Sehr schwierig abzuschätzen sei, wie die Verlagerung der Kräfte hin zu islamistischen Extremisten von der syrischen Bevölkerung aufgenommen werde, erklärt Scholkmann weiter. Aus Gesprächen mit syrischen Flüchtlingen im Libanon schliesse er, dass alles vorkomme: Von Plünderungen, Morden und Lynchjustiz im Namen der Scharia, bis hin zu Respekt für gewisse Islamisten-Gruppen, die fairer aufträten und bisweilen auch Hilfsgüter und Lebensmittel verteilten.
Syrische Nationale Koalition weiter geschwächt
Die Stärkung der islamistischen Kämpfer schwächt das vom Westen unterstützte politische Oppositionsbündnis im Ausland, die Syrische Nationale Koalition. Das Bündnis sollte die syrische Opposition auf der Weltbühne vertreten, hat aber kaum Einfluss auf das Geschehen im Bürgerkriegsland. «Es wird von den wichtigsten Rebellenkräften schlichtweg nicht ernst genommen», konstatiert Korrespondent Scholkmann.
Klar ist: Der sowieso komplizierte und verworrene Bürgerkrieg in Syrien wird durch die neue Entwicklung noch schwieriger zu durchschauen. Und es fragt sich: Für wen die SNC bei der geplanten Syrienkonferenz in Genf überhaupt noch sprechen kann, wenn sie von den Rebellen nicht anerkannt wird.