- US-Präsident Donald Trump hat sich beim Budget-Streit überraschend auf die Seite seiner Erzfeinde geschlagen. Er hat einen Pakt geschlossen mit den Demokraten.
- Es geht um eine schnelle Hurrikan-Hilfe. Im Gegenzug wird der Staat weitere drei Monate finanziert.
SRF News: US-Präsident Donald Trump hat sich beim Budget überraschend auf die Seite seiner Erzfeinde geschlagen. Was ist da geschehen?
Isabelle Jacobi: Die Republikaner im Kongress wurden auf dem völlig falschen Fuss erwischt. Denn sie hatten überhaupt erst die Idee, die Hurrikan-Hilfe mit der dringend anstehenden Erhöhung der Schuldenobergrenze zu verknüpfen. Die Hurrikan-Hilfe sollte als Druckmittel dienen, um den Staat möglichst lange weiter zu finanzieren und dadurch Luft zu haben, um zum Beispiel die Steuerreform anzupacken. Das wurde nun zum politischen Bumerang. Er habe einen Deal mit den Demokraten gemacht, erklärte Trump gestern vor versammelter Runde. Lange Gesichter bei den Republikanern, denn jetzt haben sie das leidige Thema Schuldenobergrenze schon im Dezember wieder am Hals.
Die Demokraten hätten nun alle gesetzgeberischen Waffen in der Hand, kritisieren Top-Republikaner. Stimmt das?
Ja, das zeigen die letzten zehn Jahre. Die Schuldenobergrenze, die der Kongress immer wieder erhöhen muss, damit der Staat seine Rechnungen bezahlen kann, ist tatsächlich ein beträchtliches politisches Druckmittel. Zwar wurde die Obergrenze immer wieder erhöht – man will den Staat ja nicht in den Bankrott laufen lassen. Aber im Vorfeld lässt sich ziemlich viel politisches Kapital daraus schlagen. Und dieses Kapital habe Trump gestern unnötigerweise verspielt.
Die Demokraten haben ziemlich unverhofft enorm an Macht gewonnen.
Der Staat ist nun also bis Mitte Dezember finanziert, das sind drei Monate Zeitgewinn. Wie nützt das den Demokraten konkret?
Sie können ab Dezember – oder schon vorher – bei jedem politischen Geschäft mit der Schuldenobergrenze drohen, sei es das Budget 2018, die Steuerreform, Trumps Mauerpläne oder das Ersatzprogramm für die jungen Immigranten. Die Demokraten können damit drohen, die Finanzierung zu kappen und eine Staatskrise auszulösen. Sie haben also ziemlich unverhofft enorm an Macht gewonnen.
Weiss man, wie die beiden demokratischen Mehrheitsführer, Nancy Pelosi und Chuck Schumer, Trump für ihre Lösung gewinnen konnten?
Nein, US-Medien rätseln und machen Stimmungsanalysen: ‹Schaut, da klopft Trump Chuck Schumer auf die Schulter, da lächelte er Nancy Pelosi an.› Nach der Sitzung im Oval Office sprach Trump selbst gegenüber Journalisten liebevoll von «Chuck and Nancy». Für Republikaner sind dies Schläge ins Gesicht. Was sich angekündigt hat, ist eine Dissonanz zwischen dem republikanischen Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, nachdem die Gesundheitsreform im Juli gescheitert war. Aber diese Art von Manöver hat dann doch niemand erwartet.
Trump war sich einfach des Schadens nicht bewusst – zum Beispiel in Bezug auf seine Steuerreform.
Sehen wir hier einen neuen Trump?
Das ist die grosse Frage. Wusste Trump, das er da tat? Die einen sagen, es war Naivität. Er wollte einfach einen schnellen Deal. Er wollte die Hurrikan-Hilfe. Das ist auch die offizielle Erklärung der republikanischen Partei. Trump war sich einfach des Schadens nicht bewusst – zum Beispiel in Bezug auf seine Steuerreform, die ihm ja sehr wichtig ist, für die er im Moment durchs ganze Land tingelt. Die Liberalen auf der anderen Seite hoffen natürlich, dass sich ein ganz neuer Trump manifestiert, der Kompromisse schliesst. Auf der anderen Seite haben wir die rechte Website Breitbart, die schreibt, ‹Trump ist im Sumpf angekommen›. Ich würde sagen, abwarten. Trump hat zumindest gezeigt, dass er die Seite wechseln kann, ohne mit der Wimper zu zucken.
Trump ist bekannt dafür, dass er Leute gegeneinander ausspielt. Macht er nun dasselbe mit den beiden grossen Parteien?
Trump zeigt schlicht wenig Verständnis für die politischen Spiele in Washington und er verweigert sich den üblichen Handlungsmustern. Das verwirrt oder freut einmal die eine, dann die andere Seite. Und das macht die Politik in Washington zurzeit so unberechenbar und auch sehr volatil für seine eigene Partei.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.