Rund vier Millionen Ureinwohner leben heute auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten. Es sind vor allem Indianer, dazu kommen Inuit in Alaska und Polynesier auf Hawaii. Viele von ihnen reden Englisch. Und das ist ein Problem. Englisch verdrängt die Sprachen dieser Völker immer stärker, einige hat es bereits ganz ersetzt.
Mit dem Verlust der ursprünglichen Sprache geht auch ein Teil der Geschichte und Identität verloren. Deshalb will nun die US-Regierung Gegensteuer geben – doch sie ist dabei auch auf die Mithilfe der Ureinwohner angewiesen. Heute sprechen zum Beispiel bloss noch 30 Prozent der Indianer ihre Stammessprache.
«Wenn wir unsere Sprache nicht pflegen, dann verschwinden wir von dieser Welt», ist Keone Nunes überzeugt. Er ist auf Hawaii zuhause.
«Unser Schöpfer hat uns die Sprache gegeben, damit wir als Menschen leben können», meint Arvpak, vom Volk der Yupik aus Alaska. Der Ojibwe-Indianer Naganakischik lebt im Bundesstaat Michigan. Er sagt, es sei ein Geschenk, dass er in der Sprache seiner Ahnen sagen könne: «Hallo, heute ist ein guter Tag, denn die Sonne scheint.» Sein Vater habe immer nur Englisch geredet, erzählt Ron Lessard, ein Lakota-Indianer aus Süd-Dakota, da er beweisen wollte, dass er Amerikaner sei.
Englisch war verpönt
Und wer nicht freiwillig Englisch sprach, wurde dazu gezwungen, weiss Naganakischik: Ein Stammeshäuptling habe ihm erzählt, dass er zur Strafe in einen Schrank gesperrt worden sei, weil er sich mit seinem Bruder auf Ojibwe unterhalten habe.
Heute sind nicht mehr Verbote, sondern die mangelnde Motivation der jungen Ureinwohner das Hauptproblem. Nur wer Englisch spricht, kann in den USA auch ausserhalb der Reservate Karriere machen. Da macht es für viele keinen Sinn, auch die Ur-Sprache zu lernen. Kommt dazu, dass nicht alle Schulen in den Reservaten die Indianersprachen unterrichten. Hier setzt die Obama-Regierung an.
Erstmals arbeiten die Ministerien für Bildung, Gesundheit und des Innern zusammen und koordinieren ihre Anstrengungen für den Erhalt der Sprachen der Ureinwohner. Sie erstellen Daten, organisieren Fach-Konferenzen und subventionieren Sprachprogramme für Schüler.
«Eine Sprache kann man nicht in kurzer Zeit lernen»
Das Geld, das zur Verfügung steht, ist allerdings bescheiden, pro Projekt 10'000 bis 100'000 Dollar. Und es handelt sich um Subventionen, die auf höchstens drei Jahre limitiert sind. Charles Russell, Direktor vom Bureau of Indian Education der Bundesregierung, sieht hier Reformbedarf: «Eine Sprache kann man nicht in dieser kurzen Zeit lernen», erklärt er.
Der Unterricht müsse langfristig angelegt sein und ganzheitlich. Ein, zwei Stunden Sprachunterricht pro Woche, das reiche nicht, ist Russell überzeugt. Die Schulen seien gefordert: Sprache sollte im gesamten Lehrplan vorkommen, auch Mathe oder Geschichte liessen sich ja in einer der ursprünglichen Sprachen unterrichten. So könne man erreichen, dass die Schüler ihre ursprüngliche Sprache fliessend beherrschten.
Damit das gelingt, braucht es Schulbücher und andere Lehrmittel. Diese sind aber nicht für jede Sprache vorhanden. Vor allem nicht für jene Sprachen, die nur von wenigen Ureinwohnern gesprochen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht alle Sprachen auch geschrieben werden.
Lehrmethoden verbessern und austauschen
In jüngster Zeit haben die Urvölker deshalb, auch mit Hilfe der Bundesregierung, begonnen, ihre Lehrmethoden untereinander auszutauschen. Dies sei der richtige Ansatz, glaubt Charles Russell vom Bureau of Indian Education. Denn mehr Geld aus Washington gebe es kaum, deshalb sei ein stärkeres Engagement der Indianer und weiteren Ureinwohnern sehr wichtig. Unsere Modelle haben nicht funktioniert, nun sollten wir jenen der Indianer eine Chance geben, sagt er.
Naganakischik hat die Sprache seiner Ahnen mit Hilfe eines alten Indianers gelernt. Heute beherrscht er Ojibwe sogar im Traum: «Ich träume Englisch und Ojibwe. Und ich muss sagen, das ist für einen Ojibwe-Studenten wie mich ein schönes Gefühl, wenn die Menschen in meinen Träumen mit mir in dieser Indianer-Sprache reden.»