SRF News: Papst Franziskus steht in der Kritik, weil er bei seinem Besuch in Burma zwar die Situation der Rohingya angesprochen, aber die muslimische Minderheit nicht mit Namen genannt hat. Warum hat er dies unterlassen?
Raphael Rauch: Weil er damit nur Öl ins Feuer giessen würde. Das Wort Rohingya ist ein Reizwort, das die aufgeladene Situation nur anfeuern würde. Damit hätte er die Gastgeber brüskiert und vielleicht das Gegenteil erreicht. Es hätte dazu führen können, dass die Gewalttäter erst recht auf die Rohingya losgehen und Friedensbemühungen torpediert werden. Stattdessen hat der Papst gefordert, die «Achtung der Rechte aller zu garantieren». Jedem ist klar, was damit gemeint ist.
Könnte dies nicht auch einen Zusammenhang haben, dass es sich bei den Rohingya um Muslime und nicht um Christen handelt?
Nein. Sonst scheut er ja auch nicht, Partei für Muslime zu ergreifen. Nach dem Anschlag auf die Sufi-Moschee in Ägypten hat er sich sofort zu Wort gemeldet und die Terror-Tat verurteilt, bei der mehr als 300 Menschen ums Leben kamen. Auch sonst sucht er den Kontakt zu Muslimen: Am Gründonnerstag etwa hat er Asylbewerbern die Füsse gewaschen, darunter waren auch Muslime.
Warum sollten Buddhisten auf den Papst hören?
Wie bewegt sich der Papst auf dem diplomatischen Parkett im Vergleich zu seinen Vorgängern, als die sich auf heiklem Terrain bewegten?
Besser als sein Vorgänger Benedikt XVI. Der hat in einer akademischen Rede in Regensburg die islamische Welt in Aufruhr versetzt. Das war ohne böse Absicht, die Rede wurde missverstanden. Daraus hat Franziskus gelernt: Zwar redet er gerne frei von der Leber weg, wenn es aber drauf ankommt, reisst er sich zusammen.
Wird der Aufruf des Papstes zu einer Veränderung der Situation der Rohingya führen?
Nein. Warum sollten Buddhisten auf den Papst hören? Der Papst-Besuch erinnert aber an die Situation der Rohingya. Das könnte die Motivation auf Seiten der internationalen Staatengemeinschaft erhöhen, Druck auf Burma auszuüben. Und damit mehr Geld für die Flüchtlingshilfe locker machen, das im Moment gebraucht wird.
Gibt es momentan weitere Situationen, in denen der Papst seinen Einfluss nutzt, um Konflikte zu lösen?
Franziskus stammt aus Argentinien. Deswegen liegt ihm die Konfliktlösung in Lateinamerika besonders am Herzen. In die Venezuela-Krise hat er sich mehrmals eingeschaltet. Aber auch sonst ergreift der Papst zu den meisten Konflikten das Wort. Der Vatikan ist ein beliebtes Ziel von Staatsbesuchen. Der Papst trifft viele Präsidenten und Regierungschefs. Ob die auf ihn hören, ist natürlich eine andere Frage.
Dürfen wir somit mit weiteren ähnlichen Papst-Auftritten rechnen, da ja der Vatikan eine lange Tradition in Sachen gute Dienste hat?
Das gehört für Franziskus zum Christsein: Für Frieden in der Welt einzutreten, sich für die Schwachen einzusetzen und den Mächtigen aufs Maul zu schauen. Das macht der Papst aber nicht nur auf Reisen, sondern eigentlich jeden Tag. Und seit Längerem auch schon in sozialen Medien. Die Appelle des Papstes kommen gut an. Der Papst hatte unter den Staatsmännern bis vor kurzem die meisten Follower auf Twitter. Mittlerweile hat ihn aber Donald Trump überholt.