Nichts weniger als die Zukunft der Euro-Rettungspolitik stand heute am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg auf dem Spiel. Generalanwalt Pedro Cruz Villalonda hatte seine Beurteilung einer Klage darzulegen, die den massenhaften Kauf von Staatsanleihen durch die EZB verhindern wollte.
Das 2012 in Aussicht gestellte OMT-Programm sei erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne, befand jetzt Villalonda. Die EZB gehe mit dem Programm kein Risiko ein, das sie notwendigerweise einem Szenario der Insolvenz aussetze. Voraussetzung sei aber, dass die EZB solche Käufe gut begründe und diese verhältnismässig seien. Zudem müsse sich die Zentralbank aus den für einen betroffenen Staat geltenden Reformprogrammen heraushalten.
Wegweisendes Gutachten kurz vor wichtigen Entscheiden
Das definitive Urteil fällt der Europäische Gerichtshof erst in einigen Monaten. Die Bewertung des Generalanwalts als vorbereitende Instanz ist für den Entscheid in der Regel jedoch richtungsweisend.
Die Veröffentlichung kommt für die EZB zu einem wichtigen Zeitpunkt. In der kommenden Woche wird der EZB-Rat möglicherweise über neue Anti-Krisen-Massnahmen entscheiden.
«Whatever it takes» – OMT stand am Anfang der Euro-Rettung
Was den europäischen Staats- und Regierungschefs trotz unzähliger Gipfel und Verhandlungen nicht gelungen war, schaffte EZB-Präsident Mario Draghi 2012 mit einem Satz: Auf dem Höhepunkt der Euro-Krise verkündete er, die Notenbank sei bereit, «zu tun, was immer nötig sein wird, den Euro zu schützen».
Darauf folgte der OMT-Beschluss («Outright Monetary Transactions»). Die EZB erklärte sich bereit, Investoren im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen abzukaufen. Wer reformbereiten Krisenländern künftig Geld leihen würde, konnte dies ab sofort gefahrlos tun. Die Krisenländer waren wieder kreditwürdig.
Die Ankündigung Draghis und der OMT-Beschluss liessen die Zinsen für Staatsanleihen drastisch absacken und den Wert der Papiere steigen. Die Wende in der Euro-Krise war geschafft. Ohne dass die EZB im Rahmen von OMT bereits eine einzige Staatsanleihe gekauft hatte.
Deutsche Zweifel an der Rechtmässigkeit
Zur Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof führte dann eine Klage in Deutschland. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler klagte gemeinsam mit mehreren Wirtschaftswissenschaftlern und über 10'000 Bürgern gegen den OMT-Beschluss. Sie sahen im Programm eine Umgehung des Verbots der Staatenfinanzierung, die im Ernstfall nichts weniger als eine Vergemeinschaftung sämtlicher Staatsschulden in der Eurozone bedeute.
Tatsächlich beurteilten die Karlsruher Richter das Programm als mit EU-Recht nicht vereinbar, da die Finanzierung von Staaten das Mandat der reinen Währungspolitik überschreite.
Mangels Zuständigkeit fällten die Verfassungsrichter jedoch kein definitives Urteil, sondern verwiesen die Klage an den Europäischen Gerichtshof.
Staatenfinanzierung Ja oder Nein?
Eine rechtswidrige Staatenfinanzierung im engen Sinn ist das OMT-Programm in der Tat nicht. Es sieht nämlich keinen direkten Erwerb von Staatsanleihen bei den betroffenen Ländern vor. Vielmehr werden die Papiere im Ernstfall von Investoren erworben.