Die Propaganda, die in Russland gegen die Regierung in Kiew gefahren wird, ist intensiv und penetrant. So empfindet es Peter Gysling, SRF-Korrespondent in Moskau. «In Talkshows im staatlichen russischen Fernsehen werden täglich Ereignisse wie etwa jene auf dem Maidan ausschliesslich negativ dargestellt.»
Die ukrainische Übergangsregierung werde als absolut rechtsextremistisch bezeichnet und es werde den Zuschauern immer wieder gesagt, man müsse sich jetzt gegen Nationalsozialisten zur Wehr setzen und die russisch-slawische Einheit verteidigen, so Gysling. Parallel dazu zeige das Fernsehen auch viele Kriegsfilme, die vom Zweiten Weltkrieg handeln.
«Landesverräter» werden gebrandmarkt
Das russische Staatsfernsehen sei zwar schon immer äusserst Kreml-treu gewesen. «Aber mit den ersten Demonstrationen auf dem Maidan in Kiew hat wirklich eine ganz dezidierte Propagandawelle eingesetzt», erklärt der Korrespondent. Diese habe sich wegen der Ereignisse auf der Krim vor etwa drei Wochen noch einmal akzentuiert.
Die regelrechte Anti-Ukraine-Kampagne hält Gysling für einen Versuch, die Reihen innerhalb der russischen Bevölkerung zu schliessen. Ein bekannter Historiker, Professor Andrej Subow, hatte vor dem Anschluss der Krim an Russland gewarnt. «Er ist darauf als Vaterlandsverräter bezeichnet worden, und man hat ihm trotz vieler Proteste die Stelle gekündigt.»
Propaganda erfasst selbst Speisekarten
Als in der Duma über die Krim abgestimmt wurde, war nur ein einziger Abgeordneter dagegen: Ilja Ponomarjow von der Partei Gerechtes Russland. Auch er wurde wüst beschimpft. Er habe hier nichts mehr zu suchen, hiess es in mehreren Talkshows.
Gysling fügt hinzu: «Andersdenkende gibt es in Russland nach wie vor. Doch sie halten sich neuerdings mit dem Äussern ihrer Meinungen zurück.»
Das heisst, die Propaganda erzielt ihre Wirkung – mit teils kuriosen Auswüchsen. «Ich war kürzlich mit Freunden in einem Restaurant in Moskau. Da hat sich ein Kollege erlaubt, ein Hühnchen Kiewer Art zu bestellen», erzählt Gysling. «Das Publikum hat sich zu ihm umgedreht und war entsetzt, einfach nur weil es hörte, dass hier etwas mit Leidenschaft bestellt wird, das mit der Ukraine in Zusammenhang gebracht wird.»