Die ukrainische Regierung wie die moskautreuen Separatisten sollen Landgewinne aufgeben, um eine entmilitarisierte Pufferzone in der Ostukraine einzurichten. Dies will Russland durchsetzen, um den Konflikt zu entschärfen. Die Aufständischen seien bereit, sich hinter die schon im September vereinbarte Trennlinie zurückzuziehen, sagte der russische Aussenminister Sergej Lawrow in Moskau, bevor er zum Krisentreffen in Berlin abreiste.
Kanzlerin Angela Merkel dämpfte indes vor dem Treffen der Aussenminister Russlands, der Ukraine, Frankreichs und Deutschlands heute Mittwochabend die Hoffnungen auf eine Lösung des Konflikts. Gespräche in gleicher Besetzung vergangene Woche hatten kein Ergebnis gebracht.
Lawrow: «Poroschenko ist zu einem Rückzug der Truppen bereit»
Tatsächlich steht das Treffen unter einem schlechten Stern: Trotz der bevorstehenden Krisengespräche in Berlin kündigte der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk in Kiew Pläne für eine Vergrösserung der Armee um 68'000 Soldaten auf 250'000 Mann an. Die Ukraine hatte erst am Dienstag mit der Bewaffnung von etwa 100'000 Reservisten begonnen.
Trotzdem sagte der russische Aussenminister Lawrow, er habe den Eindruck, dass der ukrainische Präsident Petro Poroschenko zu einem Rückzug seiner Truppen bereit sei. Die Einrichtung der Pufferzone sei eine der wichtigsten Fragen, über die er in Berlin sprechen wolle, sagte Lawrow.
Vor einem Auftritt beim Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos bekräftigte Poroschenko indes Vorwürfe an Russland, wonach bis zu 9'500 russische Soldaten in der Ostukraine im Einsatz sein sollen.
Lawrow wies dies zurück. «Wenn Sie es mit solcher Überzeugung behaupten, dann zeigen Sie Fakten», forderte er Poroschenko auf. Wegen der gespannten Lage in der Ostukraine kündigte Poroschenko eine vorzeitige Abreise aus Davos an.
«Die Menschen haben genug von diesem Konflikt»
Die gegenseitigen Vorwürfe zwischen den Konfliktparteien halten also weiter an. Trotz der unversöhnlichen Haltung Moskaus und Kiews wünschte sich die notleidende Bevölkerung in der Region aber vor allem eines: Frieden, ungeachtet der politischen Konsequenzen, so SRF-Korrespondent Christof Franzen: «Sagen wir es so: Der Glaube unter den Menschen ist nicht allzu gross. Die Hoffnung ist natürlich da. Eine grosse Mehrheit der Menschen will einfach, dass dieser Konflikt zu Ende geht.»
Die politischen Forderungen – Unabhängigkeit, ein Verbleib in der Ukraine, ein Anschluss an Russland – die seien nicht mehr prioritär unter der Bevölkerung, so Franzen: «Viele Menschen haben einfach genug von diesem Konflikt. Sie wollen ihr normales Leben zurück.»
Umkämpfter Flughafen
Bis dahin könnte es jedoch noch ein weiter Weg sein. Die Ukraine und die Separatisten hatten sich zwar am 19. September in der weissrussischen Hauptstadt Minsk auf eine Trennlinie an der Front geeinigt. Diese wurde aber bislang nicht umgesetzt.
Die Ukraine hatte in den vergangenen Tagen ihr Militär im Donbass mit neuer Kriegstechnik massiv verstärkt. Vor allem rund um den zerstörten Flughafen der Separatistenhochburg Donezk tobten heftige Gefechte. Mindestens sechs Menschen wurden nach Behördenangaben getötet. In dem Bürgerkrieg starben seit April 2014 bereits mehr als 4800 Menschen.