- Die russische Wirtschaft kommt nach zwei Krisenjahren wieder in Gang.
- Unabhängige Experten kritisieren, dieses Wachstum sei nicht nachhaltig.
- Das Hauptproblem sieht der Moskauer Ökonom Andrej Mowtschan im politischen System.
Russland hat in den vergangenen zwei Jahren fast vier Prozent seiner Wirtschaftsleistung eingebüsst. Hauptgründe waren der tiefe Ölpreis und die Sanktionen, die der Westen nach der Krim-Annexion verhängt hat.
Nun verbreitet die Regierung aber wieder Optimismus: Das Bruttoinlandprodukt Russlands kehre im Jahr 2017 wieder auf einen nachhaltigen Wachstumskurs zurück. Um zwei Prozent soll die Wirtschaft dieses Jahr wachsen, schätzt das zuständige Ministerium.
Kurzfristiges oder nachhaltiges Wachstum?
Unabhängige Experten wie der Moskauer Ökonom Andrej Mowtschan sind skeptisch. «Dieses Wachstum ist überhaupt nicht nachhaltig. Es ist eigentlich gar kein Wachstum», sagt Mowtschan vom Moskauer Think Tank «Carnegie Zentrum».
Die Zahlen seien nur besser, weil der Ölpreis gestiegen sei – und der Kreml mehr Geld ausgebe für Waffen. Zudem habe die Statistikbehörde die Methode geändert, mit der sie das Bruttoinlandprodukt berechnet. Auch deswegen würden die Zahlen besser aussehen.
Das russische Wirtschaftswachstum beruhe auf einmaligen Effekten. «Gäbe es diese Effekte nicht, würde die Wirtschaft weiter schrumpfen», so Mowtschan.
«Rechtslosigkeit ist Gift für die Wirtschaft»
«Russland leidet an einer strukturellen Rezession», betont Mowtschan. Das Hauptproblem sieht der Ökonom im politischen System. «Es gibt eine Art unausgesprochenen Vertrag zwischen den Eliten und der Moskauer Zentralmacht», sagt er. Die Mächtigen in den Regionen müssten sich auch nicht an die Gesetze halten – sie müssten einzig loyal gegenüber dem Kreml sein.
Jeder Unternehmer müsse jederzeit damit rechnen, dass ihm jemand mit guten Beziehungen zur Staatsmacht das Geschäft wegnehmen könne. In einer solchen Situation, sagt Mowtschan, würden nur Verrückte investieren – oder eben Leute mit gutem Draht nach ganz oben. Diese Rechtslosigkeit verbaue der russischen Wirtschaft jegliche Wachstumsperspektive.
Ökonom Mowtschan glaubt auch nicht, dass sich daran so bald etwas ändert. Erstens brauche der Kreml die Loyalität der regionalen Eliten. Die Einführung eines echten Rechtsstaats aber würde diese Loyalität erodieren lassen. Und zweitens habe der russische Staat genug Mittel, um noch Jahre der Stagnation durchzustehen. Russland habe realtiv wenig Schulden und könne noch viel Geld aufnehmen – vor allem im Inland.
Dazu komme, dass es den Russen zwar schlechter gehe als vor drei Jahren, aber viel besser als vor zwanzig Jahren. Die aktuellen wirtschaftlichen Probleme würden da im Vergleich eher wie kurzfristige Turbulenzen erscheinen. Und tatsächlich ist es bisher kaum zu sozialen Protesten gekommen. Die Gehälter sinken zwar, aber sie reichen zum Überleben. Die Russen schnallen einfach den Gürtel enger.