Die Vorwahlen der US-Demokraten scheinen gelaufen. Zwar steht das Votum in 22 Bundesstaaten noch aus, aber kaum ein Experte zweifelt noch an der Nominierung von Hillary Clinton. Ist damit für die ehemalige Aussenministerin alles in trockenen Tüchern?
Eigentlich schon, meint der Schweizer Politologe Louis Perron. Denn «Sanders müsste die ausstehenden Wahlen nicht nur gewinnen, sondern auch noch mit grossem Abstand für sich entscheiden.» Das aber sei eher unwahrscheinlich.
Dennoch, hundertprozentig sicher sei das Ganze noch nicht. «Denn sollte der Skandal um Clintons Mail-Server zu einer Klage beim FBI führen, könnte Clintons Nominierung noch einmal ernsthaft in Gefahr geraten.»
Vorwahlkampf als willkommene Übung
Generell ist der Wahlkampf bei den Demokraten schlussendlich deutlich spannender gewesen, als von zahlreichen Experten vorhergesagt. Dabei habe man mit Bernie Sanders rechnen müssen, meint auch der ehemalige SRF-Korrespondent in den USA, Arthur Honegger: «Vor allem die Breite der Unterstützung für ihn hat mich dann doch überrascht.»
Denn Sanders vertrete – zumindest für die USA – extreme Positionen und bezeichne sich selbst als demokratischer Sozialist. «Aber daran kann man erkennen, wie viel Frust im Land vorhanden ist – auch bei den Linken», so Honegger.
Aber trotz des wahrscheinlich knappen Ausgangs sei der Vorwahlkampf für Hillary Clinton eine gute Übung gewesen.
Extreme Positionen lassen Sanders punkten
Nicht ganz so optimistisch im Sinne Clintons fällt die Analyse von Louis Perron aus. Der Vorwahlkampf der Demokraten habe einmal mehr deren Schwächen unterstrichen.
«Sie ist keine gute Kandidatin, wenn es darum geht, über die Medien zu kommunizieren und Menschen für sich zu begeistern.» Vielen Wählern erscheine sie als nicht vertrauenswürdig und als zu machtbesessen. Ganz anders hingegen Sanders. Der sei als «real» (authentisch) wahrgenommen worden – als Mann mit klarer Linie.
Sanders Forderungen nach kostenloser Schulbildung, einem höheren Mindestlohn und einer Steuererhöhung für Reiche hätten bei der Basis Gehör gefunden, so Perron.
Kein Deal zwischen Clinton und Sanders
Deshalb habe auch Clinton teilweise ihre Positionen nach links verschieben müssen, sagt Arthur Honegger. Daran könne er aber nichts Falsches sehen. «Man muss zuerst die Basis gewinnen – später dann eine breitere Wählerschaft» Zudem habe sie nichts propagiert, was sie im Wahlkampf nicht gegen die Republikaner verteidigen könne, so der ehemalige USA-Korrespondent.
Einige Experten spekulieren darüber, ob Clinton möglicherweise Sanders ein Regierungsamt anbieten werde, um sich dessen Gefolgschaft für den Präsidentsschaftswahlkampf zu sichern. «Das könnte passieren. Aber bei Bernie Sanders glaube ich das eher nicht», so Arthur Honegger.
Ähnlich sieht es auch Louis Perron. «Sanders wird nicht scharf auf irgendwelche Posten sein – schliesslich ist er bereits 72 Jahre alt.» Hinzu komme, dass er in der Partei ein Outsider sei, der sich am Ende seiner Karriere befinde.
Wer gewinnt, Demokraten oder Republikaner?
Louis Perron: «Egal wer im Präsidentschaftswahlkampf der Gegner ist – Trump oder Cruz – es wird für Clinton nicht einfach. Ich erwarte einen polarisierenden Stimmenkampf und einen knappen Wahlausgang.»
Arthur Honegger: «Trump oder Cruz – für Hillary sind beide Wunschgegner. Schwerer wäre für sie ein Konkurrent gewesen, der mehr in der Mitte zu verorten ist. Zudem erwarte ich, dass sie darauf setzt, Geschichte zu schreiben und als erste Frau ins Weisse Haus einzuziehen – als Präsidentin, wohlgemerkt.»