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Mann im mittleren Alter mit Brille und Schnauz.
Legende: Martin Alioth ist SRF-Korrespondent für Grossbritannien und Irland. Er schreibt auch für die «NZZ am Sonntag». srf

Separatisten-Bewegungen Für die Schotten ist eine Unabhängigkeit vom Tisch – vorerst

Brexit hin oder her: Die Schotten wollen ihre Beziehungen zu England nicht gefährden, so die Analyse von SRF-Korrespondent Martin Alioth.

SRF News: Wie steht es um die Unabhängigkeitsbewegung in Schottland?

Martin Alioth: Nicht so gut wie auch schon. Die Frage ist in den Hintergrund gerückt, denn es ist klar, dass es unter den Schotten keine Mehrheit für eine Unabhängigkeit gibt.

Was ist geschehen, dass die Unabhängigkeit aus der schottischen Agenda gefallen ist?

Die Logik hätte eigentlich das Gegenteil vermuten lassen: Die Schotten stimmten im Juni 2016 mit 62 Prozent gegen den Brexit, werden nun aber gegen ihren Willen aus der EU katapultiert. Die schottische Nationalistenpartei SNP interpretierte das Votum denn auch als Ermutigung, die Unabhängigkeitsfrage erneut zu stellen. Die Schotten hatten sich bei der Unabhängigkeitsabstimmung von 2014 unter anderem für den Verbleib im Vereinigten Königreich entschieden, weil der damalige Premier David Cameron sagte, nur so könne Schottland sicher sein, in der EU zu verbleiben.

Die Schotten sind nicht bereit, ihre wichtigste Identitäts- und Wirtschaftsbeziehung – jene zu England – mutwillig aufs Spiel zu setzen.

Doch bei den vorgezogenen Wahlen im vergangenen Juni ist die SNP zurückgepfiffen worden: Die Schotten zeigten damit, dass sie auf einen EU-Austritt gefasst und nicht bereit sind, auch noch ihre wichtigste Identitäts- und Wirtschaftsbeziehung – jene zu England – mutwillig aufs Spiel zu setzen. Das zeigte sich nicht nur in massiven Wählerverlusten für die SNP, sondern auch in einem Erstarken der bislang in Schottland unbedeutenden Tories, die klar auf die Unionskarte gesetzt hatten.

Parteitag der schottischen Nationalisten

In Glasgow hat der SNP-Parteitag begonnen. Vor Beginn des Treffens sagte die schottische Premierministerin und SNP-Chefin Nicola Sturgeon gegenüber der BBC, man werde ein neues Unabhängigkeitsreferendum allenfalls wieder aufs Tapet bringen, wenn man klarer sehe, wie der Brexit umgesetzt wird. Gleichzeitig gab sie sich zuversichtlich, dass das bisher «inkompetente und chaotische» Vorgehen der Regierung May in der Brexit-Diskussion der schottischen Unabhängigkeitsbewegung in die Hände spielen werde. (reuters)
Mann in Schottenrock mit schottischer Fahne vor einem Kongressgebäude.
Legende: Die schottischen Nationalisten treffen sich in Glasgow. Sie glauben immer noch an eine Unabhängigkeit. Imago

War es also ein geschickter Schachzug der britischen Regierung, den Schotten 2014 eine Abstimmung über ihre Unabhängigkeit zu erlauben? In Spanien wird dies den Katalanen verwehrt, was den Separatisten offenbar Zulauf beschert...

Das ist so. Es ist dem Vereinigten Königreich, also der britischen und der schottischen Regierung, gelungen, diesen Prozess in verfassungskonformen Schritten abzuwickeln. Dazu waren politische Verhandlungen nötig. Die britische Regierung drängte darauf, dass es eine Abstimmung mit klarer Frage und eindeutiger Antwort gibt. Cameron wollte die Schotten damit in eine Ecke drängen und sie dazu bringen, Farbe zu bekennen. Die Schotten haben sich deshalb gut überlegt, ob sie tatsächlich aus dem Vereinigten Königreich austreten wollen – und die Frage mit 55 Prozent verneint. Alles verlief in einer politisch vereinbarten, konstitutionellen Form.

Die spanische Regierung täte gut daran, einen Blick auf die britische Inselgruppe zu werfen, um etwas zu lernen.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn sie nun die Situation in Katalonien sehen?

Das katalanisch-spanische Beispiel beweist ein klägliches Versagen der Politik. Wenn eine Zentralregierung, wie jene in Madrid, den Dialog verweigert, ermutigt sie ihre Gegner, in diesem Fall die katalanischen Nationalisten, möglicherweise zu anderen Mitteln zu greifen. Ich denke dabei auch an Nordirland: Hier hat die Verweigerung von Dialog dazu geführt, dass während Jahrzehnten Menschen getötet wurden. Man muss nicht den Teufel an die Wand malen; aber die spanische Regierung täte gut daran, einen Blick auf die britische Inselgruppe zu werfen, um etwas zu lernen.

Das Gespräch führte Markus Föhn.

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