Alexej Nawalny ist ein packender Redner. Ihm ist es gelungen, die von Putin geschaffene Regierungspartei «Einiges Russland» mit der griffigen Bezeichnung «Partei der Gauner und Diebe» verbal zu diskreditieren.
Wenn er auf den Moskauer Demonstrationen die Rednertribüne betritt, branden ihm stets Begeisterungsstürme entgegen: «Nawalny, Nawalny, Nawalny», skandiert die Menge dann. Und einmal, im April, sagte Nawalny zur Menge: «Uns hier ist klar, um was es geht. Wir sind das Volk. Aber: Jemand fürchtet sich vor uns. Der sitzt dort drüben über dem Fluss im Kreml und blickt mit seinen kleinen Augen verängstigt rüber zu uns.»
Nawalnys Stärke: Skandale aufdecken
Einen breiten Teil der russischen Öffentlichkeit hat der Anwalt mit seinen Recherchen über die umfangreiche Korruption im russischen Regierungs- und Behördenapparat in Bann gezogen. Fast jede Woche hat er auf neue Unregelmässigkeiten verwiesen. Mal ging es um Nerzpelze im Wert von zwei Millionen Rubel, welche eine Petersburger Behörde angeblich für Patienten einer psychiatrischen Klinik bestellt hatte. Mal um einen Abgeordneten der Putin-Partei, der gesetzeswidrig Luxusimmobilien auf Miami hortete. Erst gestern zeigte Nawalny auf, über welche Off-Shore-Firmen der als besonders korrupt geltende Chef der russischen Staatsbahnen seinen Reichtum orchestriert hat.
Nawalny ist überzeugt: «Der Kampf gegen die Korruption sei das Wichtigste, wenn Russland nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich wieder vorankommen solle.» Seinen politischen Zielen wollte er am 8. September mit seiner Kandidatur für das Moskauer Bürgermeisteramt näher kommen.
Schauprozess gegen den Kreml-Kritiker
Ikone der Glatzköpfe
Doch der grossgewachsene, etwas schlacksig wirkende, aber überaus energisch agierende blonde Mann hat auch eine andere Seite. Er ist innerhalb der breiten russischen Oppositionsbewegung nämlich nicht allen sympathisch. Nawalny hat in den letzten Jahren mehrmals an den November-Märschen der russischen Nationalisten teilgenommen und ist dort als einer der Hauptredner aufgetreten. Damit hat er den nationalistischen Extremisten Auftrieb verliehen.
Mit seinem Verhalten hat er – zum Unmut vieler liberaler Oppositioneller – dafür gesorgt, dass bei den Grossdemonstrationen der Protestbewegung oft auch eine ganze Kolonne von Glatzköpfen mitmarschiert ist.
Weiter politisch mitmischen
Mit der Verurteilung hat seine Karriere einen Knick erhalten. Trotzdem will Nawalny nicht aufgeben. Er will künftig aus dem Straflager in der Politik mitmischen. Nicht mehr als Kandidat für ein politisches Amt, das ist ihm jetzt verwehrt – aber mit aufsehenerregenden Recherchen und politischen Beiträgen über das Internet.