Kurz vor Wiederaufnahme der Syrien-Gespräche am Montag in Genf haben erstmals Lebensmittellieferungen die notleidende Bevölkerung in die eingekesselte Altstadt von Homs erreicht.
Im Kriegskessel der Altstadt von Homs riskieren die Helfer der Vereinten Nation ihr Leben. Entgegen einer vereinbarten Waffenruhe geriet der Hilfskonvoi der UNO am Samstag unter heftigen Mörserbeschuss.
Helfer treffen auf ausgehungerte Menschen
Als die Lastwagen der UNO und des Roten Halbmonds in die belagerte Altstadt fahren, schlagen neben ihnen reihenweise Mörsergranaten ein. Auch bei der Verteilung der Güter an ausgehungerte Menschen in der Kriegszone hört der Beschuss nicht auf. Mindestens fünf Menschen sterben, wie Aktivisten berichten. Die Helfer haben noch grosses Glück. Nur einer von ihnen wird leicht verletzt. Die ausgehandelte Waffenruhe ist Makulatur. Nach der Entladung der ersten zwei Lastwagen wird die Aktion vorerst gestoppt. Für den Angriff machen sich Regierung und Opposition gegenseitig verantwortlich.
Es war ein Tag in der Hölle.
Ein Reporter des «Wall Street Journal» beobachtete die Helfer bei ihrer Rückkehr. Die Lastwagen rumpelten auf zerschossenen Reifen dahin, in den Windschutzscheiben prangten Einschusslöcher. Mit an Bord war der höchste UNO-Beamte in Syrien. «Es war ein Tag in der Hölle», sagte er zu den wartenden Journalisten. «Aber das erleben die Menschen an diesem Ort an jedem Tag. Das ist das Leben, das sie leben, und wir sahen heute einen winzigen Ausschnitt davon.»
Die Altstadt wird seit 18 Monaten von Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad belagert. Rund 2500 Menschen sind dort eingeschlossen und klagen über Hunger sowie fehlende Medikamente.
Wie der Rote Halbmond beim Kurzmitteilungsdienst Twitter mitteilte, konnten 250 Lebensmittelpakete und 190 Pakete mit Hygieneartikeln und Medikamenten ausgeliefert werden. Am Freitag, dem ersten Tag des humanitären Einsatzes, waren 80 Zivilisten – Frauen, Kinder und ältere Menschen – aus der Konfliktzone herausgebracht worden, am Sonntag dann laut dem syrischen Staatsfernsehen weitere 65 Zivilisten. Ein lokales Behördenmitglied sprach am Sonntag von insgesamt 500 evakuierten Zivilisten. Gouverneur Al-Barasi sprach im Staatsfernsehen von 600 Menschen – Kinder, Frauen und alte Menschen – die in Sicherheit gebracht worden sind.
Syrien-Konferenz in Genf am Montag
Hunger, Tod und Verletzungen in Syrien stehen im denkbar brutalsten Gegensatz zum diplomatischen Getriebe an den luxuriösen Gestaden des Genfer Sees. Dort, am europäischen UNO-Sitz, beginnt an diesem Montag die zweite Runde der Syrien-Friedensgespräche.
Erstes Konkretes nach Genfer-Gesprächen
Nach dem erfolglosen Abschluss der ersten Runde der Genfer Friedensgespräche ist die Hilfsmassnahme für Homs die erste Vereinbarung zwischen Rebellen und Regierung, die umgesetzt wurde. Bislang besteht die Hoffnung, dass nach Homs auch Menschen in anderen Städten endlich dringend erwartete humanitäre Hilfe erhalten.
Fassbomben mit Sprengstoff und Nägeln
In Syrien wird inzwischen weiter gelitten, gehungert und gestorben. Nicht nur in Homs, sondern auch in zahllosen weiteren Regionen. Wie etwa in Aleppo, wo Helikopter des Assad-Regimes täglich Fassbomben – mit Sprengstoff und Nägeln gefüllte Metallzylinder – über den Wohngebieten abwerfen. Sie töten und verstümmeln jedes Mal Dutzende Menschen.
Rami Abdel Rahman, der Leiter der Organisation Syrische Menschenrechtsbeobachter in London, die die Aktivistenberichte aus ganz Syrien akribisch auswertet, war am Sonntag nahezu fassungslos: «Gestern sind in ganz Syrien mehr als 200 Menschen getötet worden, während die internationalen Medien darauf warteten, dass zwei Fahrzeuge nach Homs fuhren.»