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«Europa muss selbständiger werden»
Aus Echo der Zeit vom 14.07.2018. Bild: Keystone
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Transatlantische Beziehungen «Trump glaubt an den autoritären Führungsstil»

US-Präsident Donald Trump brüskiert die Nato und seine europäischen Partner gleich reihenweise. Der Regensburger Politologe Stephan Bierling weist im Gespräch aber auch auf die Versäumnisse der Europäer hin.

Stephan Bierling

USA-Experte

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Bierling lehrt seit 2000 als Professor für Internationale Politik an der Universität Regensburg und leitet die Professur für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen. Er ist als Analyst der US-Innen-, Wirtschafts- und Aussenpolitik für diverse Medien tätig.

SRF News: Was nützt es Donald Trump, Freunde und Alliierte ständig zu brüskieren?

Stephan Bierling: Er setzt dieses Mittel ein, um seine eigenen Anhänger im Land davon zu überzeugen, dass er der stärkste Mann im Raum ist. Das ist deshalb wichtig, weil er im Wahlkampf versprochen hat, die Stärke Amerikas wiederherzustellen – und das zeigt er jetzt seinem heimischen Publikum durch seine konfrontativen Auftritte.

Aber er richtet doch damit grossen Schaden an.

Natürlich. International ist das eine Katastrophe, weil Amerika davon profitiert, so viele Bündnispartner und Alliierte zu haben. Im Vergleich zu Russland und China steht Amerika in dieser Hinsicht glänzend da. Und was Trump eigentlich tun müsste, wäre diese Partnerschaften zu pflegen und zu stärken. Aber er tut das Gegenteil.

Wird es beispielsweise im Rust Belt überhaupt zur Kenntnis genommen, wenn er seine konfrontativen Aussagen wieder zurücknimmt?

Ich glaube in der Tat, dass das nicht zur Kenntnis genommen wird. Weil er im Kleinen – wenn er sich mit May und Merkel unter vier Augen trifft – durchaus umgänglich sein soll. Das liest man immer wieder aus den Berichten. Er spielt einfach den Bully insbesondere mit seinen Twitter-Aussagen und den Interviews. Dinge, die man schön nach Hause transportieren kann.

Bereits im Wahlkampf ist er mit seinen frauenfeindlichen Äusserungen aufgefallen. Frauen nimmt er nicht wirklich ernst.

Merkel und May sind zwei Politikerinnen. Spielt die Geschlechterfrage eine Rolle?

Ich denke schon. Bereits im Wahlkampf ist er mit seinen frauenfeindlichen Äusserungen aufgefallen. Frauen nimmt er nicht wirklich ernst. So hat er Merkel im Wahlkampf schon scharf attackiert.

Aber er geht ja nicht nur mit Frauen so um. Es macht den Anschein, als ob er Politiker in Europa grundsätzlich nicht ernst nimmt.

Ja, er praktiziert eine Politik der Stärke. Er glaubt an den autoritären Führungsstil. Denken wir nur an Putin, Xi oder an Kim Jong Un. Die scheinen bei Trump alle mehr Eindruck zu hinterlassen als demokratisch gewählte Politiker alter Alliierter.

Er glaubt an den autoritären Führungsstil. Denken wir nur an Putin, Xi oder an Kim Jong Un.

Und jetzt kommen wieder Ängste hoch, Europa könnte zum Spielball der USA und Russland werden. Zu Recht?

Diese Gefahr hatten wir bereits im Kalten Krieg – und diese Gefahr besteht nach wie vor. Das grosse Problem ist, dass sich Europa nicht wirklich vorbereitet hat auf eine Welt, in der es seinen eigenen Mann oder Frau stehen muss. Wir sind in den Rüstungsausgaben sehr nachlässig gewesen. Wir haben nach wie vor grosse Probleme, die EU zusammenzuhalten. In einer Welt, wo nationale Interessen und Nationalstaaten eine viel grössere Rolle spielen als vor 25 Jahren, findet sich Europa somit ziemlich alleine.

Wie stark kann Europa jetzt unter die Räder kommen?

Sehr stark. Zuerst in Wirtschaftsfragen. Da sind wir, insbesondere Deutschland, viel stärker von Exporten abhängig als die USA oder Japan. Wir brauchen deshalb offenen Welthandel. Aber auch militärisch haben wir Europäer Probleme. Wir sind nicht in der Lage, Aktionen ohne die amerikanische Logistik oder Waffentechnik durchzuführen. Sobald Trump ankündigt, sich aus der Nato zurückziehen oder die Alliierten weniger unterstützen zu wollen, stehen wir ziemlich alleine und nackt da. Das sind Versäumnisse, die uns grosse Probleme bereiten.

Sobald Trump ankündigt, sich aus der Nato zurückziehen oder die Alliierten weniger unterstützen zu wollen, stehen wir ziemlich alleine und nackig da.

Und das weiss Trump natürlich.

Klar. Er stellt sich auf eine Welt ein, in der sich jeder selbst der Nächste ist. So vorgelebt von Russland und China. Vor 20 Jahren hatten wir noch die Hoffnung, dass wir diese beiden Nationen in ein internationales Geflecht einbinden könnten. Das ist nicht passiert – im Gegenteil. Sie verfolgen ihre eigenen nationalen Interessen mit aller Brutalität. Trump will auf gleicher Ebene zurückzahlen und da sind die Bindungen, also institutionelle Vereinbarungen, die mit Europa eingegangen wurden, nur ein Hindernis in der neuen Welt, in der nur noch der Mächtige zählt.

Was kann Europa diesem Verhalten entgegensetzen?

Kurzfristig nicht viel, weil die Versäumnisse der EU und Europa Jahrzehnte zurückliegen. Nehmen Sie das Beispiel Deutschland: Berlin hat seinen Verteidigungshaushalt quasi kaputtgespart. Hier bedarf es einer Richtungsentscheidung und Anstrengungen, die über eine Regierungsperiode hinausgehen. Die beste Art, Trump zu begegnen, ist der Zusammenhalt und auf manche seiner berechtigten Forderungen einzugehen – so beispielsweise beim 2-Prozent-Ziel der Nato. Das haben alle unterschrieben, aber ernst gemeint haben sie es offenbar nie. Wenn man selbst Zusagen nicht einhält, wird man Trump nicht viel entgegensetzen können.

Das Gespräch führte Beat Soltermann.

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