- Trotz Warnungen der Türkei hat US-Präsident Joe Biden die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkrieges als Völkermord anerkannt.
- «Das amerikanische Volk ehrt all jene Armenier, die in dem Völkermord, der heute vor 106 Jahren begann, umgekommen sind», hiess es in einer vom Weissen Haus verbreiteten Mitteilung Bidens zum Gedenktag an die Massaker.
- Die Türkei bestellte daraufhin den US-Botschafter in Ankara ein, um ihr Missfallen über Bidens Aussage auszudrücken.
Im Wahlkampf hatte Biden eine Anerkennung der Massaker an den Armeniern als Völkermord versprochen. Die Regierung in Ankara hatte die US-Regierung vor einem solchen Schritt gewarnt. Bereits 2019 hatte der US-Kongress die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord anerkannt.
Die Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump betonte anschliessend, die rechtlich nicht bindende Resolution ändere nichts an der Haltung der US-Regierung. Biden-Vorgänger Trump hatte «von einer der schlimmsten Massen-Gräueltaten des 20. Jahrhunderts» gesprochen, das Wort Völkermord aber – wie andere US-Präsidenten seit Ronald Reagan auch – vermieden.
Während des Ersten Weltkriegs waren Armenier systematisch verfolgt und unter anderem auf Todesmärsche in die syrische Wüste geschickt worden. Historiker sprechen von Hunderttausenden bis zu 1.5 Millionen Opfern. Die Türkei als Nachfolgerin des Osmanischen Reiches gesteht den Tod von 300'000 bis 500'000 Armeniern während des Ersten Weltkrieges ein und bedauert die Massaker. Eine Einstufung als Völkermord weist sie jedoch strikt zurück.
Reaktionen aus Armenien und der Türkei
Das türkische Aussenministerium hat als Reaktion den US-Botschafter in Ankara einbestellt, wie die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Dem Botschafter sei mitgeteilt worden, dass die Türkei die Aussage inakzeptabel fände und vollständig ablehne.
Der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, verurteilte die Erklärung zudem scharf. Er empfehle den USA, auf ihre eigene Geschichte und Gegenwart zu schauen. Erdogan persönlich äusserte sich zunächst nicht.
«Ein mächtiger Schritt»
Vor Bidens Mitteilung hatte Erdogan am Samstag an den armenischen Patriarchen in der Türkei, Sahag Maschalian, geschrieben, er gedenke mit Respekt den Armeniern im Osmanischen Reich, die unter «schweren Bedingungen» im Ersten Weltkrieg ihr Leben verloren hätten. Die Politisierung von Debatten durch Dritte bringe nichts.
Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan begrüsste Bidens Worte. «Das armenische Volk und alle Armenier der Welt haben Ihre Botschaft (...) mit grosser Begeisterung erhalten», sagte er laut Mitteilung. Paschinjan sprach von «einem mächtigen Schritt auf dem Weg der Wahrheit und der historischen Gerechtigkeit» sowie von einer «unschätzbaren Unterstützung für die Nachkommen der Opfer des Völkermords».