SRF News: Das Links-Bündnis Syriza gewinnt die Wahl in Griechenland. Corinna Jessen, Sie sind in Athen: Da wurde bestimmt mächtig gefeiert. Wie gross ist der Jubel bei den Leuten?
Corinna Jessen: Unter den Anhängern war die Freude schon nach der Veröffentlichung der ersten Wahlumfragen sehr gross, die Menschen haben gejubelt und getanzt. Als Alexis Tsipras dann vor Tausenden Anhängern versprach, den Griechen endlich ihr Lächeln zurückzugeben, schlugen die Emotionen erst recht hoch. Gleichzeitig war aber vor allem bei den Kandidaten des Linksbündnisses zu spüren, wie schwer die Verantwortung nun auf ihren Schultern lastet. Die Linke war bisher eher eine Art Protestbewegung. Die Regierungsverantwortung zu tragen, ist für sie eine ganz neue Erfahrung.
Sollten Parlamentarier Tsipras den Gehorsam verweigern, würden sie als Verräter in die Geschichte eingehen.
Syriza kommt auf 36 Prozent der Stimmen. Das reicht nicht fürs alleine Regieren. Welche Partei kommt als Regierungspartner in Frage?
Alexis Tsipras wird sich schon heute Vormittag mit dem Vorsitzenden der Unabhängigen Griechen, Panos Kammenos, treffen. Diese Partei hat sich neben Syriza am deutlichsten gegen die Sparprogramme ausgesprochen. Allerdings ist das der einzige gemeinsame Punkt zwischen diesen Rechtsnationalen und dem Linksbündnis. Dennoch: Schon gestern Abend hiess es in den Medien, die beiden Parteivorsitzenden hätten sich bereits auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Gemeinsam kämen sie auf die recht bequeme Mehrheit von 162 Stimmen.
Am Nachmittag wird Tsipras auch mit dem Vorsitzenden der neuen Partei To Potami (Der Fluss), Stavros Theodorakis, verhandeln. Hier handelt es sich um eine Sammelbewegung von Reformern, deren Bedingung der Verbleib in der Eurozone ist. Die Beendigung des Sparprogramms gehört nicht zu den zentralen Forderungen dieser Partei. Dennoch könnte auch To Potami eine Syriza-Regierung zumindest stützen. Eine Regierungsbeteiligung ist allerdings eher fraglich.
Vor der Wahl hatte Tsipras viel versprochen: Nun sei Schluss mit Sparen, sagte er. Und es brauche einen Schuldenschnitt. Tsipras sprach aber auch von einer gemeinsamen Zukunft in der EU. Kann er das gegenüber dem Linken Flügel seines Bündnisses durchsetzen?
Tsipras braucht grosses Verhandlungsgeschick, um eine Spaltung seiner Partei – und damit eine baldige Regierungskrise – zu verhindern. Man darf aber nicht vergessen: Eine Linksregierung und dann auch noch mit einer so starken Mehrheit gab es in Griechenland noch nie. So schnell werden die Abgeordneten diesen Erfolg nicht gefährden wollen. Sollten Parlamentarier in Einzelfragen Tsipras den Gehorsam verweigern, würden sie als Verräter in die Geschichte eingehen, welche die erste linke Regierung in Griechenland gestürzt hätten.
Wie lange wird es dauern, bis Griechenland wieder eine neue Regierung hat?
Das kann sehr schnell gehen. Wenn Tsipras sich heute schon mit einem Koalitionspartner einigt, könnte er bereits im Verlauf des Tages als neuer Ministerpräsident vereidigt werden. Es sieht auf jeden Fall so aus, als ob es noch diese Woche eine neue Regierung geben wird. Tsipras will damit auch unter Beweis stellen, dass er umgehend handlungsfähig ist und das Land nicht destabilisiert wird.
Das Gespräch führte Susanne Schmugge.
Vor diesen Problemen steht die Regierung
Arbeitslosigkeit | Das grösste Problem. Zuletzt waren 26,7 Prozent arbeitslos gemeldet – Rekord in der EU. Die Jugendarbeitslosigkeit (15- bis 24-Jährige) liegt sogar bei um die 50 Prozent. |
Schulden | Der Schuldenberg dürfte 2014 auf 175 Prozent des BIP gestiegen sein. Die EU-Regeln sehen eigentlich eine Grenze von 60 Prozent vor. Immerhin: Die abgewählte Regierung hat die Neuverschuldung drücken können: Von einem Defizit von rund 12 Prozent 2013 auf knapp 2 Prozent 2014. |
Steuern | Gähnende Leere in den Staatskassen. Allein im Januar soll eine Milliarde Euro fehlen – vor der Wahl beglichen viele Steuerzahler offenbar ihre Schulden nicht. Die neue Regierung kann somit die anfallenden Zinszahlungen nicht abzahlen. Im Sommer dürfte der Staat bankrott sein, dann stehen Schuldenrückzahlungen von 6,5 Milliarden Euro an. |
Konjunktur | Hier gibt es Licht am Horizont. Die Wirtschaft wuchs zuletzt so stark wie in keinem anderen Euro-Land. Auch für dieses Jahr ist ein Wachstum von fast 3 Prozent prognostiziert. |