Erst am Dienstag hatten sich Russland und die Türkei ausgesöhnt – bei einem Treffen der Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin. Nun fordert die Türkei, ein gemeinsames Vorgehen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Idee für gemeinsame Operationen «liegt auf dem Tisch», sagte Aussenminister Mevlüt Cavusoglu dem türkischen Sender NTV.
Sowohl zwischen den beiden Präsidenten als auch zwischen den Militärs soll «ein schneller Informationsaustausch bezüglich Entwicklungen und Massnahmen erfolgen», so der Minister weiter.
Der Aufruf an Russland ist insofern überraschend, als Russland das Regime in Damaskus unterstützt, während die Türkei die Ablösung von Machthaber Baschar al-Assad fordert. «Wir mögen anders denken, was Assad betrifft», räumte Cavusoglu ein.
Aber: «Die Terrororganisation ist unser aller Feind. Lasst uns alle gemeinsam gegen den IS vorgehen.» Der Minister erklärte zudem, dass sich die Türkei künftig wieder mit Luftangriffen am internationalen Kampf gegen die Miliz beteiligen wird.
Ende der Eiszeit
Ende November hatte die türkische Luftwaffe im syrischen Grenzgebiet einen russischen Kampfbomber abgeschossen. Die Folge war eine schwere diplomatische Krise mit Moskau. Aus Angst vor Vergeltung stellte die türkische Regierung darauf sämtliche Luftangriffe gegen den IS in Syrien ein.
Seither nahm Russland Ziele nahe der IS-Hochburg Rakka ins Visier. Laut dem Verteidigungsministerium hatten sechs Bomber IS-Stützpunkte südlich, nördlich und nordwestlich der Stadt angegriffen. Ärzte und Menschenrechtsgruppen sprachen von mindestens 25 Toten und 70 Verletzten.
Laut dem russischen Militärexperten Michail Chodarjonok könnten die Bomberangriffe darauf hindeuten, dass Russland einen massiven Angriff von syrischen Regierungstruppen auf Rakka vorbereite. «Es wirkt so, als sollten vor einem Sturm der Stadt IS-Kräfte blockiert werden», sagte Chodarjonok zu Interfax.
Türkei kritisiert Nato-Länder
Russlands Aussenminister Sergej Lawrow sprach mit seinem neuen britischen Kollegen Boris Johnson bei einem Telefonat über die Lage in Syrien. Die Ressortchefs hätten die humanitäre Situation und den Kampf gegen den Terror in dem Bürgerkriegsland erörtert, hiess es.
Ankara äusserte indes Kritik am Abzug der «Patriot»-Raketensysteme durch Nato-Verbündete wie Deutschland. «Unsere Erwartung an die Nato ist, dass sie konkret Unterstützung leistet, wenn die Türkei bedroht wird, nicht nur mit Worten», sagte Cavusoglu. «In der Zeit, in der die Bedrohung der Türkei immer mehr zunahm, haben manche Nato-Länder, die unsere Verbündeten sind, ihre ‹Patriot›-Batterien abgezogen.»