Donald Trump provoziert die EU und Nato. Die Europäische Union sei ihm egal, das Verteidigungsbündnis veraltet. Mit seinen Aussagen im Interview mit der deutschen «Bild»-Zeitung und der Londoner «Times» irritiert und verwundert der künftige US-Präsident Europa. Ist es bereits ein Vorgeschmack auf seine Politik? Brüssel-Korrespondent Sebastian Ramspeck ordnet für SRF News einige besonders gewagte Aussagen Trumps ein.
Mir ist es ziemlich egal, ob die EU getrennt oder vereint ist. Für mich spielt es keine Rolle.
Sebastian Ramspeck: Donald Trump betont immer wieder, wie gleichgültig ihm die EU ist. Mit solchen Aussagen steht er im Widerspruch zu Barack Obama, der die EU immer wieder in den höchsten Tönen gelobt hatte. Faktisch allerdings nahm der Stellenwert der EU in der US-Aussenpolitik bereits unter Obama ab.
Trumps unverblümte Worte sind zunächst einmal Aufputschmittel für jene Anti-EU-Parteien, die 2017 zur Wahl antreten: für Geert Wilders PVV in den Niederlanden, für Marine Le Pens FN in Frankreich und für Frauke Petrys AFD in Deutschland. Mehr noch: Inmitten der grössten Krise in der Geschichte der Europäischen Union steht die wichtigste Partnerschaft – jene mit den USA – auf dem Spiel.
Gut möglich, dass die innere Zerstrittenheit der EU unter dem Einfluss Trumps weiter zunimmt, dass die EU weiter geschwächt wird.
Es ist aber auch denkbar, dass erst Trump möglich macht, was in den vergangenen Jahren zunehmend unmöglich erschien: dass sich die EU-Staaten zusammenraufen. Oder wie es die deutsche Kanzlerin Angela Merkel heute gesagt hat: «Wir Europäer haben unser Schicksal selbst in der Hand.»
Die Nato hat Probleme. Sie ist obsolet.
Sebastian Ramspeck: Trump legt den Finger auf einen wunden Punkt: Die Nato befindet sich seit dem Ende des Kalten Kriegs in einer Sinnkrise. Als Bollwerk gegen die Sowjetunion hatte sie eine klare Aufgabe. Doch in Afghanistan hat sie versagt, und im Kampf gegen den Terror spielt sie eine marginale Rolle.
Trotzdem waren sich bisher alle US-Präsidenten einig: Als Verteidigungsallianz bleibt die Nato ein Eckpfeiler der nationalen Sicherheit. Die Signale, die Trump nun aussendet, sind widersprüchlich. Während Trump die Nato vernichtend kritisiert, ist sein künftiger Verteidigungsminister James Mattis ein bekennender Nato-Fan.
Sicher ist: Bereits Obama hat Druck auf die europäischen Nato-Staaten ausgeübt, sie müssten mehr Geld für die eigene Verteidigung ausgeben. Sie könnten sich nicht bloss auf die USA verlassen. Trump wird diesen Druck erhöhen.
Sie (Angela Merkel) hat einen katastrophalen Fehler gemacht, indem sie all die Illegalen ins Land gelassen hat, von denen niemand wirklich weiss, woher sie kommen.
Sebastian Ramspeck: In der EU sehen das viele ähnlich. Zum Beispiel kritisierte der ungarische Präsident Viktor Orbán bereits im letzten August Merkel für ihre «fehlerhafte Entscheidung» und stänkerte: «Die Grenze kann nicht mit Blumen und Kuscheltieren verteidigt werden.»
Aber Merkel und mit ihr die ganze EU haben in der Flüchtlingspolitik mittlerweile eine Kehrtwende vollzogen. Es wurde viel unternommen, um die Zahl der Migranten und Flüchtlinge zu verringern. Dazu gehört zum Beispiel das Abkommen mit der Türkei. Und tatsächlich ist die Zahl der Einwanderer und Flüchtlinge 2016 massiv zurückgegangen.