In Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens, ist die viertägige Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen zu Ende gegangen.
Zwar sind nach den zähen Verhandlungen sämtliche Parteien bloss halbwegs zufrieden. Doch das ist ein gutes Zeichen. Es bedeutet, dass alle etwas bekommen haben, alle aber auch nachgeben mussten und am Ende ein echter Kompromiss steht.
Drei Billionen zusätzlich
Das gilt besonders für den «Aktionsplan von Addis Abeba», der am Gipfel verabschiedet wurde. Reiche und arme Länder einigten sich darin auf eine neue Finanzierung der Entwicklungshilfe.
Damit sollen zusätzlich zur traditionellen Entwicklungshilfe jährlich bis zu drei Billionen Franken aufgebracht werden. Und zwar für die Bekämpfung der extremen Armut, für Nachhaltigkeit und Klimaschutz, wie es in den Nachhaltigen Entwicklungszielen der UNO (Sustainable Development Goals, SDG) geschrieben steht. Die SDG lösen die Millenium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen ab.
Kompromiss in Steuerfragen
Noch am Vorabend des Gipfel-Abschlusses schien das Ganze zu platzen. Und zwar wegen eines einzigen Paragraphen. In diesem geht es um die internationale Steuerpolitik.
Hier wollte die Gruppe der G77, bestehend aus mehr als hundert Entwicklungs- und Schwellenländern, eine neue, starke internationale Behörde für Steuerfragen schaffen, und zwar innerhalb der UNO.
Die Behörde soll vor allem die Steuerflucht von multinationalen Unternehmen verhindern. Gemäss Schätzungen verlieren Entwicklungsländer so 100 Milliarden Dollar jährlich.
Die neue Behörde sollte Macht wegnehmen von der OECD, die von westlichen Staaten dominiert wird. Der Mittelweg sieht jetzt so aus, dass ein bereits bestehendes Expertengremium der UNO für internationale Steuerfragen gestärkt wird.
Auch nur halbwegs setzten sich die Entwicklungsländer bei der Frage der Höhe der Entwicklungshilfe durch: Der Zielwert, nämlich 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts, wird zwar im Abkommen von Addis Abeba bekräftigt, doch erhöht wird dieser Wert nicht.
Und auch auf ein Zieldatum liess sich der Norden nicht verpflichten. Die allermeisten reichen Länder haben den jetzigen Zielwert noch bei weitem nicht erreicht – auch die Schweiz nicht.
Auch die wohlhabender gewordenen Schwellenländer wie China, Brasilien oder Indien, die äusserst hart verhandelt haben, fuhren sowohl Erfolge als auch Misserfolge ein. Es gelang ihnen nicht, den reichen Ländern des Nordens ihren massgeblichen Einfluss auf die Welt-Entwicklungspolitik und deren Institutionen zu entwinden. Hingegen konnten sie verhindern, dass sie selber künftig als Zahler von Entwicklungshilfe in die Pflicht genommen werden.
Hier die EU und die USA, dort die G77-Gruppe
Problematisch war die Tatsache, dass in Addis Abeba hauptsächlich nach altem Block-Denken verhandelt wurde: Hier die EU und die USA, dort die G77-Gruppe, der eine sehr heterogener Kreis von Ländern angehört: darunter extrem arme, aber auch wohlhabend gewordene Schwellenländer und sogar einige wirklich reiche asiatische Staaten. Dieses zementierte Block-Denken hätte um ein Haar einen Kompromiss hintertrieben.
Dennoch kam man in Addis Abeba voran. So wurde deutlich, dass die klassische Entwicklungshilfe – die weltweit etwa 130 Milliarden Franken beträgt – nie und nimmer ausreicht, um die Armut effizient zu bekämpfen oder den Planeten zu schützen.
Hilfe zur Selbsthilfe
Entwicklungshilfe braucht es weiterhin, das wurde auf dem Gipfel bekräftigt. Aber ihre Rolle dürfte künftig kleiner werden. Sie wird wohl hauptsächlich den allerärmsten Ländern zugutekommen und als Initialzündung für Projekte dienen, die danach sehr rasch ohne äussere Hilfe weiterlaufen sollen.
Die Rolle der Entwicklungsländer in der Entwicklungszusammenarbeit wird also zunehmend eine andere: weg vom reinen Hilfsempfänger, hin zum echten Partner, der selber viel mehr als heute zur eigenen Entwicklung beiträgt.
Kampf gegen Korruption
Das bedingt zugleich, dass die ärmeren Länder imstande sind, Einkommenssteuern einzutreiben, was heute die wenigsten können. Es bedingt, dass der gigantischen Kapitalflucht von Süd nach Nord ein Riegel geschoben wird. Und es verlangt einen erfolgreichen Kampf gegen Korruption und Misswirtschaft.
Dazu kommt, dass die Wirtschaft eine weitaus grössere Rolle spielen muss, indem sie dazu bewogen wird, konsequent nachhaltig, langfristig, umwelt- und sozialgerecht zu investieren. Ein grosser Schritt, aber ein zwingender.
Guter Start für Klimagipfel in Paris
Dieses neue Denken setzte sich in Addis Abeba allmählich durch. Es wäre deshalb ein verheerendes Signal gewesen, wenn man sich hier auf keinen Kompromiss verständigt hätte – selbst wenn dieser zweifellos Schwächen und Lücken hat.
Der baldige UNO-Nachhaltigkeitsgipfel in New York und der UNO-Klimagipfel im Dezember in Paris wären ohne dieses Ergebnis auf dem Finanzierungsgipfel wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Denn die schönsten Nachhaltigkeits- und Klimaziele sind wertlos, wenn keinerlei Einigung besteht, wie sie finanziert werden sollen.
Dass nun Addis Abeba, zwar mit Hängen und Würgen, doch noch einen Aktionsplan geboren hat, erhöht zumindest die Chancen für New York und für Paris. Also für das, was die UNO als das grosse «Jahr der Nachhaltigkeit» bezeichnet.