Eigentlich war Hillary Clinton die logische Präsidentschaftskandidatin. Sie war First Lady, sie war Senatorin, sie war Aussenministerin. Sie hat eine Menge Erfahrung, kennt die richtigen Leute – es hat trotzdem nicht gereicht. Viele wütende weisse Männer haben Donald Trump gewählt, auch einige wütende Frauen. Trump, in vielem das pure Gegenteil von Clinton: Ungehobelt, rassistisch, sexistisch, undifferenziert, wankelmütig.
Das ist eine Watsche für viele Frauen, nicht nur in den USA, auch hierzulande. «Ich bin sehr enttäuscht», sagt Iris Bohnet, erste ordentliche Schweizer Professorin an der Universität Harvard, in der «Rundschau». Auch Publizistin Esther Girsberger sagt: «Es trifft mich als Frau, weil Trump ein Frauenbild hat, das ich nicht nur ziemlich abscheulich finde, sondern er drückt dies auch noch aus.»
War es eine Wahl gegen eine Frau? Ist Amerika nicht reif für eine Chefin im Oval Office? Nein, sagt Bohnet, Clinton wurde nicht in erster Linie abgewählt, weil sie eine Frau ist, sondern weil in den USA laut der Professorin «eine gigantische Wechselstimmung da ist». Weil Clinton als Repräsentantin der Elite steht, des Alten, des Establishments.
In zweiter Linie aber wurde Clinton auch nicht gewählt, weil sie eine Frau war. «Männer können kompetent sein und unbeliebt, und wir wählen sie trotzdem. Aber Frauen, die kompetent und unbeliebt sind, die werden nicht gewählt», so Bohnet. Und weiter: «Es war ein Rückschlag für die Gleichberechtigung, dass Trump sexistische Bemerkungen machen konnte, ohne dass man sein Verhalten sanktionierte.»
So ein Ereignis mobilisiert, wir werden uns der Stereotype und Vorurteile bewusst.
11/9 ist aber nicht nur ein schwarzer Tag für die Sache der Frau. Ihre Kandidatur fürs höchste Amt in den USA und ihre Abwahl haben vieles ausgelöst: «So ein Ereignis mobilisiert, wir werden uns der Stereotype und Vorurteile bewusst», sagt Bohnet. Das habe man in der Geschichte immer wieder gesehen. Auf die Nicht-Wahl von Christiane Brunner folgte eine noch nie dagewesene Mobilisierung für die Frauen, heute spricht man vom «Brunner-Effekt».
Die meisten Proteste gab es in der Wahlnacht an der Westküste der USA, wo die Demokratin Clinton besonders viele Anhänger hat.
Die nächsten Demokratinnen sind bereits in den Startlöchern. «Es gibt viele jüngere Frauen, die künftig sehr wohl eine Rolle spielen könnten», sagt USA-Korrespondentin von SRF, Priscilla Imboden. Eine davon ist Kamala Harris, Staatsanwältin von Kalifornien. Sie wurde neu in den Senat gewählt. Ebenso neu im Senat ist Catherine Cortez Masto. Sie ist die erste Latina dort. Es gibt weitere.
«Diese Niederlage schmerzt.» Das sagte Clinton bei der ersten Rede nach der Wahl, um sich gleich danach an die jungen Frauen zu wenden: «Ich weiss, dass wir die höchste, gläserne Decke nicht haben zertrümmern können, aber irgendwann wird es jemand tun.»