Dass der amerikanische Wahlkampf auch im Internet geführt wird, ist nichts Neues. Barack Obama wurde 2008 nicht zuletzt deshalb Präsident, weil er am besten von allen Kandidaten auf der Klaviatur der sozialen Medien spielte und so an die junge Wählerschaft herankam. Seither hat sich der Einfluss des Internets auf den Wahlkampf nur noch verstärkt.
Doch 2016 lässt sich ein neues Phänomen beobachten: Das Internet wird nicht mehr nur als technisches Hilfsmittel gebraucht, um Wähler zu erreichen. «Das Internet» wird selber aktiv, greift in den Wahlkampf ein und prägt den politischen Diskurs in seiner ganz eigenen Sprache. Nicht mehr die Parteizentralen geben dabei die Richtung vor, sondern Mitglieder von Reddit-Foren oder Facebook-Gruppen – Wahlkampf von unten.
Provokation um der Provokation willen
Rund um den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump etwa hat sich eine eigene Internet-Kultur gebildet. Das Reddit-Forum « The Donald » feiert Trump als « God Emperor » (auf deutsch ungefähr «Gottkaiser»), plant Attacken gegen seine Gegner und veröffentlicht Pro-Trump- Memes . Der Youtube-Kanal « Can't Stump the Trump » zeigt Videos, die mit internettypischen schnellen Schnitten, bizarren Bildeffekten und Dubstep-Sound Trumps Aufstieg zum Kandidaten der Republikaner nachzeichnen.
Dass ausgerechnet Donald Trump im Internet auf eine grosse Fan-Basis stösst, ist kein Zufall. Der Neo-Politiker ist nicht nur selbst ein äusserst aktiver Twitter-Nutzer. Er fällt auch immer wieder durch Voten auf, die an Hass-Kommentare aufgebrachter Facebook-Schreiber erinnern. Vielen Polit-Kommentatoren gilt Trump deshalb als Troll – als Provokateur, dem es um nicht viel mehr geht als das Provozieren selber. Und für einen Troll hält das Internet viele Verbündete bereit.
Das Phänomen beschränkt sich nicht nur auf Trump. Auch auf der anderen politischen Seite prägt das Internet den Wahlkampf wie nie zuvor. Dem mittlerweile aus dem Rennen geschiedenen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders zum Beispiel ist die Facebook-Gruppe « Bernie Sanders' Dank Meme Stash » gewidmet. Sie zählt an die 450'000 Mitglieder und liess während der Präsidentschaftskür der Demokraten unzählige « Dank Memes » des Politikers zirkulieren, etwa das « Birdie Sanders »-Meme. Die Mitglieder der Gruppe sind auch nach dem Ausscheiden ihres Kandidaten aktiv: Sie konzentrieren sich nun vor allem auf Angriffe gegen Hilary Clinton.
10 Prozent hielten Cruz für einen Serienmörder
Auf beiden Seiten des politischen Spektrums sind solche Gruppen als Graswurzelbewegungen entstanden, spontan, chaotisch und ohne Zutun der jeweiligen Parteileitung. Damit sind ihre Beiträge auch an keine offizielle Parteilinie und –Strategie gebunden, es wird munter drauflos publiziert. Für den politischen Diskurs kann das verheerende Auswirkungen haben, denn so steht plötzlich unfundierten Behauptungen und gezielten Lügen das Tor weit offen.
Die bizarrsten Auswirkungen hatte das wohl für Ted Cruz. Über den republikanischen Präsidentschaftskandidaten kursiert im Internet das Gerücht, er sei der Zodiac Killer – ein nie gefasster amerikanischer Serienmörder. Dass Cruz zum Zeitpunkt der Taten des Zodiac Killers noch nicht einmal geboren war, spielt für einige Leute offenbar keine Rolle: Bei einer Umfrage in Florida gaben 10 Prozent an, Cruz tatsächlich für den besagten Serienmörder zu halten. 28 Prozent waren unsicher.
Das « Ted Cruz Zodiac Killer »-Meme war bei weitem nicht das einzig rufschädigende, was das Internet für Cruz bereithielt. So stellte der Guardian schliesslich die Frage, ob letztlich die sozialen Medien für den Ruin von Cruz' Kampagne verantwortlich waren.
Aussenseiter kommen gut an
Auch Ted Cruz' parteiinterne Mitstreiter Marc « Little Marco » Rubio oder Jeb « Low Energy » Bush wurden von Memes und Internetgerüchten in Bedrängnis gebracht. Nicht zuletzt, weil sie als Vertreter der Partei-Elite angesehen werden. Anders als Donald Trump, dessen – zumindest anfänglicher – Aussenseiterstatus gut zur rebellischen Grundhaltung bestimmter Internet-Gruppen passt.
Dass dem Internet kauzige Aussenseiter besonders lieb sind, kann auch erklären, weshalb auf demokratischer Seite die Kandidatur von Bernie Sanders in den sozialen Medien weit enthusiastischer aufgenommen wurde als die von Hillary Clinton. Denn auch der Senator aus Vermont wird als Kandidat ausserhalb des Apparats wahrgenommen.
Ganz anders Clinton, die ausserdem im Umgang mit sozialen Medien als wenig authentisch gilt. Selbst als sie eine Twitter-Beleidung Donald Trumps in bestem Online-Slang mit « Delete Your Account » beantwortete, war das vielen Online-Kritikern lediglich ein Zeichen dafür, dass Clinton sich halt ein Team von versierten Social-Media-Beratern leisten könne.
Ein Rickroll an der Republican National Convention
Anders als Bernie Sanders, der die Unterstützung seiner Fans im Internet vor allem passiv begrüsste, gibt Donald Trump seiner « Troll Army » deutlich zu verstehen, dass er sie hört. Zum Beispiel, als er ein Bild twitterte, das ihn als Meme-Figur « Pepe the Frog » zeigt. Der Tweet war von den Worten «You Can't Stump the Trump» begleitet und einem Link zum gleichnamigen Youtube-Kanal.
Trump und sein Team scheinen sich in der Welt der Trolle also sehr wohl zu fühlen. Wie sehr, zeigten die Redenschreiber seiner Frau Melania an der Republican National Convention in Cleveland.
In Melania Trumps Rede waren die Zeilen «He will never, ever give up and most importantly he will never, ever let you down» zu hören – eine klare Anspielung an das « Rickroll »-Meme, das einen ahnungslosen Internetnutzer auf ein Videoportal leitet, wo ihm dann Rick Astleys Musikvideo «Never Gonna Give You Up» präsentiert wird – worauf der Ohrwurm für den Rest des Tages hängenbleibt. Absicht oder Zufall? In der Welt der Trolle spielt das gar keine Rolle mehr, das Meme verbreitet sich ohnehin.
Politik für die «Lulz»
Nun gibt es im Internet bestimmt mehr Memes, die sich über Donald Trump lustig machen, als solche, die ihn feiern. Doch weil Trump als eine Art Troll funktioniert, prallen die meisten dieser Angriffe einfach an ihm ab. Denn Trolle leben geradezu dafür, Konflikte zu schüren und so negative Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Zum Troll gehört auch, dass er es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt und sich mit seinen Aussagen nie wirklich festlegt. In Bedrängnis geraten, zieht er sich gerne mit der Bemerkung aus der Schlinge, es sei doch alles gar nicht so gemeint – eine bewährte Troll-Taktik, mit der sich auch Trump und seine Fans im Internet gut auskennen.
Dabei spielt es nicht einmal eine Rolle, wie gross die Internet-Bewegung rund um Donald Trump tatsächlich ist und ob man ihr nicht zu viel Gewicht beimisst, bloss weil sie lauter schreit als andere Gruppen. Was zählt ist, dass sie zeigt, wie der politische Diskurs in Zukunft aussehen könnte: aggressiv und grösstenteils vom Anspruch auf Wahrheit befreit. Ohne echte inhaltliche Ziele, dafür von der nihilistischen Freude am grösstmöglichen Krawall geprägt. Eben: Politik nur für die Lulz .