- Forscher des Schweizerischen Nationalfonds haben gemeinsam mit der Schweizer Entwicklungshilfeorganisation Solidarmed im afrikanischen Staat Lesotho eine neue Studie zur Aids-Bekämpfung durchgeführt.
- Bei der Erhebung liessen von den 15'000 Befragten 87 Prozent einen HIV-Test an sich durchführen. Normalerweise machen in Lesotho weniger als 50 Prozent der Menschen einen Aidstest – obwohl Lesotho nach Swasiland das Land mit der höchsten Aids-Rate der Welt ist.
- Das Forschungsprojekt kommt dabei zum Schluss, dass HIV in Entwicklungsländern erfolgreicher bekämpft werden kann, wenn Tests und Medikamente den Infizierten zu Hause direkt zugeführt werden.
Monatelang sind sie in Lesotho von Tür zu Tür gegangen, von Hütte zu Hütte: die Forscher aus der Schweiz und ihre lokalen Mitarbeitenden. Sie fragten fast 15‘000 Menschen, ob sie bereit wären, vor Ort einen HIV-Test zu machen.
Die ersten Resultate dieser Arbeit liegen der «Tagesschau» exklusiv vor. 87 Prozent aller Befragten machten mit. Das ist ein grosser Fortschritt. Normalerweise machen in Lesotho weniger als 50 Prozent der Menschen einen HIV-Test – und das, obwohl Lesotho nach Swasiland das Land mit der höchsten Aids-Rate der Welt ist. Rund 25 Prozent der sexuell aktiven Erwachsenen sind infiziert.
2 Millionen HIV-Neuansteckungen pro Jahr
Studienleiter Niklaus Labhardt vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut sagt dazu: «Offensichtlich ist es zentral für den Erfolg, dass der Test zu den Menschen nachhause gebracht wird.» Denn in Entwicklungsländern dauert der Gang zum Arzt oder in ein Spital schnell einmal eine ganze Tagesreise. Das wollen und können sich viele Menschen nicht leisten.
Jedes Jahr stecken sich weltweit zwei Millionen Menschen neu mit HIV an. Das schätzt die UNAIDS – das gemeinsame Programm der UNO gegen HIV. Um diese hohe Zahl an Neuansteckungen zu senken, müssten gerade in Entwicklungsländern massiv mehr Menschen behandelt werden.
Die Menschen in Lesotho wollen gesund bleiben. Wenn man ihnen die Therapie so einfach macht, nimmt die grosse Mehrheit diese auch an
Ein wichtiges Hindernis dabei ist, dass viele Infizierte – so wie in Lesotho – gar nicht wissen, dass sie Aids haben. Das Nationalfonds-Projekt von Niklaus Labhardt, das der Forscher gemeinsam mit der Schweizer Entwicklungshilfeorganisation Solidarmed durchführt, bezieht die Behandlung mit ein.
Test und Behandlung vor Ort
Den HIV-positiv-Getesteten wurde vor Ort angeboten, die Behandlung sofort zu beginnen. Auch diese Vorgehensweise erwies sich als erfolgsversprechend: Normalerweise beginnen im Schnitt nur 25 Prozent nach einem positiven Test die Behandlung.
Wenn den Erkrankten angeboten wird, die Behandlung sofort und vor Ort anzufangen, beginnen 67 Prozent die Therapie und setzen sie auch nach drei Monaten noch fort. «Die Menschen in Lesotho wollen gesund bleiben. Wenn man ihnen die Therapie so einfach macht, nimmt die grosse Mehrheit diese auch an», sagt Labhardt zur «Tagesschau».
100 Franken pro Patient
Die Kosten für die Behandlung eines HIV-Patienten belaufen sich in einem Land wie Lesotho auf hundert Franken pro Patient und Jahr – denn in Entwicklungsländern dürfen Generika eingesetzt werden. Eine Therapie sei damit etwa hundert Mal günstiger als zum Beispiel in der Schweiz, so Labhardt. Seine Methode erweist sich als derart erfolgreich, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) offenbar erwägt, diese «Behandlung-ab-dem-ersten-Tag» offiziell zu empfehlen.
Die neue Behandlungs-Strategie hat aber auch gewisse Nachteile. Patienten könnten die Behandlung auf eigene Faust abbrechen, was zu unerwünschten Resistenzen führen könne. Niklaus Labhardt sagt dazu pragmatisch: «Diese Risiken bestehen. Der grosse Vorteil, dass möglichst alle Menschen Zugang zu lebensrettenden Medikamenten erhalten, überwiegt für mich klar.»