Die vier grossen Parteien
Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt (AKP): Die AKP ist eine islamisch-konservative Partei. Sie wurde 2001 gegründete AKP ist die stärkste Fraktion im türkischen Parlament und hat die absolute Mehrheit der Sitze (371) im Parlament und 7,5 Millionen Mitglieder.
Republikanische Volkspartei (CHP): Die von Republikgründer Musatafa Kemal Atatürk 1923 ins Leben gerufene Mitte-Links-Partei ist die derzeit grösste Oppositionspartei. Sie verfügt über 135 der 550 Sitze in der Nationalversammlung. Die CHP hat 950'000 Mitglieder.
Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP): Sie ging 1969 aus der «Republikanischen Bauern-Volkspartei» hervor. Sie gilt als ultra-rechts. Bei den letzten Wahlen konnte die Partei 71 Parlamentssitze erringen.
Demokratische Partei der Völker (HDP): Die Partei ging 2012 formal aus dem «Demokratischen Kongress der Völker» hervor und wird dem linken kurdischen Spektrum zugerechnet. Laut Satzung verfolgt die HDP das Ziel, eine demokratische Volksherrschaft zu errichten und den Menschen ein würdiges Leben ohne Repression, Ausbeutung und Diskriminierung zu ermöglichen.
Insgesamt nehmen 19 Parteien an der Wahl teil. Zwei weitere Parteien schicken ihre Kandidaten als sogenannte Unabhängige Kandidaten ins Rennen.
Die Wahlversprechen
Die AKP will die Verfassung ändern und ein Präsidialsystem einführen. Die Rolle des Präsidenten soll dabei gestärkt werden. Den von Erdogan angestossenen Friedensprozess mit den Kurden will die AKP weiterführen und abschliessen.
Die CHP verspricht höhere Renten und ein Absenken der Arbeitslosenquote. Der Mindestlohn soll auf 1500 Lira (rund 530 Franken) steigen. Die CHP ist gegen das von Erdogan angestrebte Präsidialsystem.
Die MHP will die Friedensgespräche mit der PKK sofort abbrechen. Der Mindestlohn soll auf 1400 Lira (500 Franken) angehoben werden. Zudem verspricht die Partei Verbesserungen für Rentner und billigeren Strom.
Die pro-kurdische HDP setzt sich vor allem für Minderheiten ein. Sie will den Friedensprozess zwischen PKK und türkischer Regierung vorantreiben. Obligatorischer Religionsunterricht soll abgeschafft werden und der Mindestlohn auf 1800 Lira (600 Franken) steigen.
Die Spitzenkandidaten
AKP: Ahmet Davutoglu (56)
CHP: Kemal Kilicdaroglu (66)
MHP: Devlet Bahceli (67)
HDP: Figen Yüksekdag (44) und Selahattin Demirtas (42)
Das Wahlsystem
Das Wahlsystem in der Türkei ist eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht. Wie in vielen europäischen Ländern existiert auch im türkischen Wahlrecht eine Sperrklausel (10 Prozent).
Wahlberechtigt sind grundsätzlich alle Bürger ab 18 Jahren. Nicht stimmberechtigt sind Soldaten, Offiziere, Kadetten und Strafgefangene. Seit dem 22. März 2008 können auch im Ausland lebende türkische Staatsbürger wählen. Sie dürfen aber nur Parteien wählen, nicht jedoch unabhängige Kandidaten. Es besteht Wahlpflicht. Wer nicht wählt, muss eine Strafe von rund 13 Franken zahlen.
Wer sich ins Parlament wählen lassen möchte, muss mindestens 25 Jahre alt sein, einen Grundschulabschluss besitzen und – als Mann – den Wehrdienst abgeleistet haben. Gemäss Wahlgesetz finden Parlamentswahlen alle fünf Jahre statt.
Die Wahlvorhersagen
Demoskopen in der Türkei sind um ihren Job nicht zu beneiden. Telefonumfragen, die auf der Basis von Festnetznummern durchgeführt werden, erreichen keinen repräsentativen Querschnitt. Umfragen auf Webseiten sind unzuverlässig. Die Gefahr, dass Befragte sich am Wahltag anders entscheiden ist in der Türkei extrem hoch. Die Bandbreite möglicher Abstimmungsergebnisse wird von den Wahlforschern deshalb sehr breit gefasst.
AKP: 36 - 48 Prozent
CHP: 24 - 28 Prozent
MHP: 15 - 18 Prozent
DHP: 8 - 12 Prozent
Erdogan und die Wahl
Geht es nach dem Präsidenten, würde das nächste Parlament die Verfassung ändern und ein Präsidialsystem einführen. Das würde ihm eine fast totale Macht geben. Doch dafür braucht Erdoganr eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Zünglein an der Waage wird deshalb die HDP sein. Schafft sie den Sprung über die Zehn-Prozent-Hürde ist für Erdogan die Zwei-Drittel-Mehrheit futsch.
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Bild 1 von 5. Ahmet Davutoglu (AKP) stammt aus einfachen Verhältnissen. Nach seinem Studium der Politik wurde er Professor, später dann unter Erdogan Aussenminister – heute Ministerpräsident. Er gilt als still und umgänglich – könne aber nicht die Massen begeistern, so Kritiker. Andere bezeichnen ihn als «Technokraten» und werfen ihm die Abkehr von Europa vor. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 5. Kemal Kilicdaroglu (CHP) gilt als Modernisierer der säkularen Partei, die Atatürk einst ins Leben rief. Er stammt aus Ostanatolien und gehört zur alevitischen Minderheit der Zaza. Eigentlich wollte Kilicdaroglu nicht als Spitzenkandidat ins Rennen gehen. Weil sich aber die Opposition nicht auf einen Kandidaten einigen konnte, tritt er nun doch an. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 5. Devlet Bahceli (MHP) hatte 1997 nach dem Tod von Alparslan Türkeş den Parteivorsitz übernommen. Er gilt als umstritten. Kritiker werfen ihm fehlendes Charisma und ein mangelhaftes politisches Konzept vor. Abgesehen von der Zeit zwischen 1999 bis 2002 befand er sich mit seiner Partei stets in der Opposition. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 5. Wie keine andere türkische Partei tritt die HDP für die Gleichberechtigung der Geschlechter ein. Deshalb halten sich die Kandidaten und Kandidatinnen exakt die Waage. Die demonstrative Gleichstellung macht auch vor den Spitzenkandidaten nicht Halt. Figen Yüksekdag geht für die Frauen ins Rennen, für die Männer ... Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 5. ... Selahattin Demirtas. Er ist das Zugpferd der HDP-Doppelspitze. Mit feinem Humor unterhält der Anwalt aus der Kurden-Hochburg Diyarbakir seine Anhängerschaft. Wollte er sich als Jugendlicher noch der PKK anschliessen, so ist es heute sein Ziel, die Zwei-Drittel-Mehrheit der AKP zu verhindern. Bildquelle: Keystone.