SRF News: Warum hält keine Waffenruhe dauerhaft?
David Nauer: Es gibt einerseits militärische Gründe. Die ukrainische Armee und die Separatisten haben ihre Stellungen an vielen Orten in unmittelbarer Nähe zueinander. Da braucht es nur den kleinsten Zwischenfall und es wird wieder geschossen. Die OSZE versucht schon länger, einen Mindestabstand zu schaffen – allerdings ohne grossen Erfolg. Andererseits gibt es auch politische Gründe dafür, dass die Kämpfe immer wieder neu aufflammen. Keine der Seiten hat wirklich ein Interesse daran, dass der Krieg aufhört.
Welche Gruppe hat welches Interesse an einer Fortführung des Konflikts?
Mein Eindruck ist, dass niemand wirklich Interesse an einer Waffenruhe hat. Die Ukraine betrachtet diese sogenannten Volksrepubliken als von Russland besetzt. Das will die Ukraine nicht akzeptieren. Es gibt starke Kräfte in der Ukraine die sagen, ‹da müssen wir militärisch Druck machen›.
Die prorussischen Separatisten dagegen fürchten die Rache der Ukraine – falls sie die Kontrolle für die Gebiete an die Ukraine zurückgeben würden. Abgesehen davon leben die auch vom Krieg. Insofern als dass dieser Krieg in diesen Republiken auch ein guter Grund ist den Leuten zu zeigen, ‹uns geht es schlecht. Wir haben keine Wirtschaft, wir sind international nicht anerkannt, wir sind total abhängig von Lebensmittellieferungen aus Russland. Nichts funktioniert, aber das liegt am Krieg›.
Schliesslich kann auch Russland nur schwer oder eben gar nicht einen Kompromiss eingehen. Es will seinen Einfluss auf die Rebellengebiete erhalten. Diese Gebiete sind eine Art Pfand in der Hand des Kremls gegen die prowestliche Regierung in Kiew. Deswegen habe ich manchmal den Eindruck, die Russen sind gar nicht so unglücklich darüber, dass dieser Krieg immer ein bisschen weiter lodert.
Wie kann dieser Teufelskreis durchbrochen werden?
Es bräuchte einen Mechanismus, bei dem alle Seiten ihr Gesicht wahren können. Bei dem die Seiten Schritt für Schritt aufeinander zugehen können. Im Moment gibt es dieses Friedensabkommen von Minsk. Das funktioniert eben nicht, weil jede Seite sagt, ‹die andere Seite muss erstmal einen Schritt machen, sonst tun wir gar nichts.› Wie ein solcher Mechanismus aussehen könnte, weiss ich nicht und das weiss vermutlich niemand.