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Wahl des neuen US-Präsidenten Warum nun alle auf die 538 Elektoren blicken

Erst am Montag wird die Wahl des neuen US-Präsidenten offiziell vollzogen. Könnte es zur Sensation kommen? Wohl kaum.

Worum geht es? Auch wenn Donald Trump schon heute mit «President elect» angesprochen wird: Offiziell gewählt er erst an diesem Montag. Dann nämlich treten die so genannten Wahlmänner und –frauen zusammen. Erst wenn sie ihre Stimmen abgegeben haben, ist der neue Präsident gewählt. Was in anderen Jahren nur ein langweiliges Vollzugsverfahren war, ist 2016 aufgeladen wie vielleicht noch nie. Auf den Elektoren ruhen nun die letzten Hoffnungen derjenigen, die Trump verhindern wollen.

Wie argumentieren Trumps Gegner? Sie verweisen auf das Wahlergebnis selbst: Zwar hat der Republikaner 306 Wahlleute gewonnen und Clinton 232 – das ist deutlich. Aber Clinton führt in der Gesamtzahl der Stimmen mit 2,8 Millionen oder gut zwei Prozent. Die Kritiker argumentieren, die Wahlleute repräsentierten nicht das wahre Verhältnis der Mehrheiten im Land. Sie fordern, die Abstimmung am Montag müsse verschoben werden: Erst müsse der künftige Präsident sich zur Zukunft seiner Geschäfte äussern, ausserdem müsse erst eine Beeinflussung der Wahl durch Russland geklärt werden.

Was tut sich in der Gruppe der 538? Elektoren berichten von Hunderten, sogar Tausenden Zuschriften mit der Forderung, Trump zu verhindern. Fast fünf Millionen Menschen haben eine Online-Petition unterzeichnet. Im Gremium – das aber nie als Gruppe auftritt – brodelte es. Ein Republikaner trat wegen Trump zurück, ein anderer drückte öffentlich seinen Widerwillen aus. Demokraten versuchten, neue Mehrheiten zu organisieren.

Was geschieht am Montag? Die Wahlleute aller 50 Bundesstaaten und der Hauptstadt Washington schicken ihr Votum für den US-Präsidenten und den Vize in sechs Umschlägen an vier Adressaten, unter anderem an den Präsidenten des US-Senats.

Wann wird das Ergebnis bekannt werden? Spätestens neun Tage nach dem Votum müssen die Umschläge eingegangen sein. Zwischen diesem Zeitpunkt und dem 6. Januar kann das Ergebnis an die Öffentlichkeit dringen – am 6. wird es im Kongress verkündet.

Was müsste passieren, um Trump zu verhindern? 38 oder ein Achtel der Trump-Wahlleute müssten gegen ihn stimmen. Sie könnten für einen anderen Republikaner votieren, häufig genannt wird Ohios Gouverneur John Kasich. Wenn Demokraten sich ihnen anschliessen, könnte der neue Kandidat über die Mehrheit von 270 kommen. Schliessen sich die Demokraten dem nicht an, hat keiner eine Mehrheit. Dann entscheidet das Repräsentantenhaus, das wiederum deutlich in der Hand der Republikaner ist. Der Ausgang wäre wohl klar.

Sind die Wahlleute an den Wählerwillen gebunden? Ja und Nein. Ein Bundesgesetz gibt es dazu nicht, aber 29 Staaten und die Hauptstadt verpflichten die Elektoren zur Wahl desjenigen, den ihre Partei nominiert hat. Andernfalls werden sie bestraft. Es gibt aus beiden politischen Lagern ernste Mahnungen: Man könne das ganze Verfahren ja veraltet finden, aber es sei nun mal von der Verfassung vorgesehen. Es sei undemokratisch, sich nun nicht daran halten zu wollen, weil einem der Wahlausgang des 8. Novembers nicht passe.

Sind Hoffnungen, die Elektoren könnten Trumps Wahl verhindern, berechtigt? Nein. In der Geschichte der USA haben die Wahlleute zu 99 Prozent so gewählt, wie sie bei der Wahl bestimmt wurden.

Warum gibt es dieses Verfahren überhaupt? Die US-Bürger wählen den Präsidenten nur indirekt. Am Wahltag wird je nach Grösse des Bundesstaates eine bestimmte Zahl an Wahlleuten bestimmt. Wer in einem Staat die Mehrheit erhält, bekommt mit ganz wenigen Ausnahmen alle Wahlleute – Prinzip: «The Winner Takes it All».

Was war der ursprüngliche Sinn des Gremiums? Mit seiner Einrichtung verbanden die Gründungsväter der USA eines: Sie wollten Demagogen verhindern. Sie misstrauten dem Volkswillen, deswegen sollte er sozusagen gefiltert werden. Die Verfassung wurde so angelegt, dass spontane und kurzfristige Politik zurückstehen würde hinter einer Politik zum Wohl langfristiger Interessen des Landes. Trump, der Politik in affektgetriebene Spontanaktionen ummünzt, könnten dabei die Ohren klingeln. Theoretisch.

Wird sich an diesem System jemals etwas ändern? Auf kurze Sicht sicher nicht, aber die Diskussion ist da. «Es würde mich wundern, wenn wir nicht in zehn Jahren nach einer Mehrheit der Stimmen entscheiden würden.» Das sagte kürzlich einer, der mit dem Missverhältnis von Stimmen und Wahlleuten eigene Erfahrungen gemacht hat: Al Gore, der im Jahr 2000 gegen George W. Bush verlor.

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