Mexiko war Trumps liebstes Feindbild im Wahlkampf: Transitland für Lateinamerikas «Wirtschaftsflüchtlinge», Exporteur von Drogen und Kriminalität und schliesslich Profiteur eines «unfairen» Freihandelsabkommens – die Vorwürfe gegen den südlichen Nachbarn wogen schwer.
Kaum im Amt, lässt Trump per Dekret eine Grenzmauer bauen. Die Rechnung dafür soll Mexiko zahlen. Gestern sagte Präsident Enrique Peña Nieto ein geplantes Treffen in Washington ab. Trump wiederum drohte mit einem Importzoll von 20 Prozent auf Güter aus Mexiko.
Sitzt Mexiko wirklich am kürzeren Hebel?
Die Fronten sind verhärtet – und Mexiko scheint vorderhand nicht klein beigeben zu wollen. Die Frage bleibt: Kann sich das Land tatsächlich auf ein Kräftemessen mit der Supermacht USA einlassen?
Lateinamerika-Expertin Birgit Lamm sagt, warum sich Mexiko nicht alles gefallen muss – und auch nicht wird:
- Contenance, Mr. Trump
«Für Peña Nieto gab es keine andere Möglichkeit, als das Treffen mit Trump abzusagen. Aus der Politik und der Öffentlichkeit gab es schon vorher grosse Kritik, dass er sich überhaupt Beleidigungen vom gewählten Präsidenten Trump gefallen lässt. Als Trump medienwirksam das Dekret zum Mauerbau unterzeichnete, waren der mexikanische Finanz- und der Wirtschaftsminister bereits (für ein geplantes Treffen) in Washington. Eine solche Ohrfeige kann man sich nicht mehr gefallen lassen. Auch viele Mexikaner fühlen sich sehr stark angegriffen, beleidigt und ihrem Nationalstolz verletzt.»
- Strafzölle gegen die eigene Werkbank
«Der Handlungsspielraum ist natürlich kleiner als derjenige der USA: 85 Prozent der mexikanischen Exporte gehen in die Vereinigten Staaten. Dank dem Freihandelsabkommen Nafta ist aber in den letzten 20 Jahren eine absolut integrierte Wirtschaft entstanden. 40 Prozent der Waren, die aus Mexiko in die USA gehen, bestehen aus Vorprodukten aus den USA. Insofern schiessen sich die Amerikaner damit auch ins eigene Knie. Letzten Endes werden die Zeche die amerikanischen Endverbraucher in den USA zahlen. Durch Strafzölle und Handelbarrieren werden die Preise unweigerlich steigen.»
- Mexiko garantiert mit für Amerikas Sicherheit
«Mexiko und die USA sind nicht nur durch das Freihandelsabkommen Nafta miteinander verbunden, sondern auch durch verschiedene Sicherheitsabkommen, etwa die Mérida-Initiative. Das Abkommen wurde 2007 durch die USA, Mexiko und die mittelamerikanischen Staaten getroffen, um die internationale Kriminalität und den Drogenhandel einzudämmen. Zudem gibt es eine Vereinbarung über den Austausch nachrichtendienstlicher Informationen zwischen Mexiko und den USA: Bei der Einreise einer Person nach Mexiko werden automatisch auch die US-Behörden informiert. Angesichts der weltweit angespannten Sicherheitslage sind hier natürlich auch die nationalen Sicherheitsinteressen der USA betroffen.»
- Eine Chance für neue Freundschaften
«Der neue aussenpolitische Kurs im Weissen Haus ist natürlich bedrohlich. Er betrifft die wirtschaftlichen Interessen vieler einfacher Menschen. Auch, weil viele von finanzieller Unterstützung von Familienangehörigen in den USA abhängig sind. Trotzdem ist die Entwicklung auch eine Chance für Mexiko, die eigenen internationalen Beziehungen – wirtschaftlich oder politisch – zu anderen Partner zu intensivieren. Es ist auch eine Gelegenheit, die eigenen innenpolitischen Herausforderungen, etwa die Korruption oder Rechtssicherheit, neu zu ordnen. Dies mit dem Ziel, Mexiko als Wirtschaftstandort international noch wettbewerbsfähiger und attraktiver zu machen.»