Kampfhelikopter fliegen über Khazer hinweg Richtung Mossul. Karawanen von Flüchtlingen schlagen die Gegenrichtung ein. Aus dem Zentrum von Mossul selbst kommen kaum Menschen, sie werden von den Jihadisten des IS offensichtlich an der Flucht gehindert. Wo immer aber die irakischen Elitetruppen vorstossen, fliehen auch die Zivilisten, zu tausenden. Aus der Vorstadt Gogjali, etwa, seit Anfang Woche Kampfzone.
Ahmed berichtet von heftigen Kämpfen, von Zerstörung. Wir nutzen die erste Gelegenheit zur Flucht, sagt er und steht jetzt in der Schlange, für die Registrierung der Neuankömmlinge.
Kurdische Peschmerga machen Sicherheitskontrollen am Lagereingang, man kann nie wissen, immerhin kommen die Flüchtlinge direkt aus dem Jihadistengebiet. Manche fliehen im eigenen Auto, halten die weissen Fahnen aus der Fensterscheibe. Andere legen die zwanzig Kilometer bis nach Khazer gar zu Fuss zurück. Wieder andere auf der Ladefläche von Lastwagen. Kleinkinder, Mütter, Onkel, ganze Grossfamilien haben sich aufgemacht. Auf unbestimmte Zeit.
Die irakischen Spezialeinheiten haben inzwischen die Vorstadt Gogjali offenbar weitgehend unter Kontrolle, und in den letzten Tagen auch Vorstösse darüber hinaus begonnen, in die östlichsten Quartiere des eigentlichen Stadtgebiets. Wie lange die Schlacht um Mossul noch gehen wird, wagt hier trotzdem niemand vorauszusagen.
Eines von Dutzend Flüchtlingslagern
Sechstausend blaue Familienzelte wurden in Khazer errichtet, sagt der Verantwortliche für das Lager hier im Gebiet. Es befindet sich unter Kontrolle der kurdischen Truppen.
Khazer ist nur eines von einem Dutzend neuen Flüchtlingslagern, die im letzten Monat rings um das militärische Operationsgebiet der Mossul-Offensive erstellt wurden oder noch werden sollen. Doch Khazer dürfte bald voll sein, wenn der Ansturm anhält.
Ergreifende Szenen des Wiedersehens
Ahmed berichtet von zwei Familien in Gogjali, die durch Granaten getötet wurden, offenbar von den Angreifern. Sein Haus sei von einer Rakete aus der Luft zerstört wurden, sagt ein anderer. Das Auto zerstört – alles weg. Aber die Familie, Gott sei Dank, sei jetzt in Sicherheit.
Zwischen den Zeltreihen schneiden sich vier Männer die Bärte ab. Frauen legen ihren Ganzkörperschleier ab. Und ein Junge umarmt unter Tränen seine Mutter, eine der ergreifenden Szenen des Wiedersehens vor dem Eingang zum Flüchtlingslager. Verwandte, Freunde, die durch das Terrorkalifat auseinandergerissen wurden, schliessen sich hier nach mehr als zwei Jahren erstmals wieder in die Arme.