Die Anzahl der Flüchtlinge und Migranten, die von der Türkei aus über das Mittelmeer illegal nach Griechenland einreisen, ist im April um 90 Prozent zurückgegangen. Das teilte die europäische Grenzschutzagentur Frontex in Warschau mit. Im gesamten Monat April seien nur noch 2700 Menschen über das Meer illegal nach Griechenland gelangt. Im Januar waren es noch 67‘415.
«Der Rückgang ist dramatisch. Die Gesamtzahl für April liegt weit unter dem, was wir während der Hochphase im vergangenen Jahr oft an einem einzigen Tag allein auf der Insel Lesbos gesehen haben», sagte der Direktor von Frontex, Fabrice Leggeri.
Laut Frontex stammten die meisten Ankommenden aus Syrien, gefolgt von Menschen aus Pakistan, Afghanistan und dem Irak. Der starke Rückgang habe verschiedene Ursachen. Dazu zähle sicher das Flüchtlingsabkommen der Europäischen Union mit der Türkei, das am 20. März in Kraft trat: Demnach werden Flüchtlinge, die Griechenland illegal von der Türkei aus erreichen, grundsätzlich zurück in die Türkei geschickt.
Zum anderen halte die Grenzschliessung Mazedoniens und damit die faktische Schliessung der Balkanroute nach Mittel- und Nordeuropa die Menschen von der Flucht über das Meer ab. Die Zahlen bleiben weiterhin niedrig: Am Freitag erreichten noch 118 Migranten und Flüchtlinge griechische Inseln, teilte der griechische Stab für die Flüchtlingskrise mit.
Rückschaffung setzt ein Zeichen
Frontex hat gemäss dem Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei inszwischen 500 Migranten von Griechenland in die Türkei zurückgebracht. Manche sagten, dass seien noch wenige, sagte Frontex-Direktor Fabrice Leggeri der «Tagesschau»: «Aber wichtig war, dass es schon angefangen hat. Die Migranten und kriminelle Netzwerke Netzwerke haben sich nicht vorgestellt, dass das möglich ist.»
Neues Zielland ist Italien
Zugleich kamen im April zum ersten Mal seit Juni 2015 mehr Menschen über das Mittelmeer in Italien an als in Griechenland. Allerdings lag die Zahl mit 8370 Migranten 13 Prozent unter dem Wert vom März. Das ist die Hälfte weniger als noch vor einem Jahr. Vor allem Menschen aus Eritrea, Ägypten und Nigeria versuchen über Italien nach Europa zu gelangen.
Die Migrationsströme aus Libyen seien irregulär, denn die meisten Menschen seien nicht Schutzbedürftige, erklärt Frontex-Direktor Leggeri. Aber alle Mitgliedstaaten im Schengen-Raum, also auch die Schweiz, hätten eine gemeinsame Aussengrenze. «Lampedusa oder Lesbos sind auch Aussengrenzen der Schweiz», so Leggeri. Frontex rechnet für 2016 mit ungefähr gleich vielen Migranten und Flüchtlingen wie im vergangenen Jahr. 2015 waren es über eine Million Menschen.
Die italienische Küstenwache hat am Donnerstag rund 800 Flüchtlinge gerettet. Die überwiegend aus Syrien stammenden Menschen seien auf zwei Schiffe verteilt gewesen und vor Sizilien aufgegriffen worden, teilte ein Sprecher mit. Einige der Migranten seien Iraker.
Laut dem UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) haben seit einem Jahr nicht mehr so viele Menschen aus Syrien und dem Irak gemeinsam die Überfahrt nach Europa gewagt. Die Boote kamen vermutlich aus Ägypten. Meistens ist aber Libyen der Ausgangspunkt für die Flucht über das Mittelmeer nach Italien.
Vor der italienischen Küste bemüht sich die EU seit Herbst 2015 mit dem Einsatzverband im Mittelmeer (European Union Naval Force Mediterranean, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen, EUNAVFOR MED) gegen kriminelle Scheppernetzwerke vorzugehen und Flüchtlinge und Migranten aus Seenot zu retten.
Schweiz beteiligt sich an EU-Umsiedlungsprogramm
Die Schweiz hat am 6. Mai erstmals zehn Flüchtlinge aus Italien übernommen. Das bestätigte die EU-Kommission auf Anfrage der Agentur sda. Die Aktion fand im Rahmen des EU-Umsiedlungsprogramms, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen statt. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) äusserte sich nicht über die Nationalitäten der Flüchtlinge.
Bereits Anfang April hat die Schweiz 30 Personen in Italien ausgesucht, mehrheitlich aus Syrien oder Eritrea. In der Schweiz angekommen, müssen sie ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen.
Im Sommer 2015 hatte die EU die Umsiedlung von 40'000 und später dann nochmals von 120'000 Flüchtlinge beschlossen. Die Schweiz beteiligt sich freiwillig an den EU-Umsiedlungsprogrammen. Im Rahmen des ersten EU-Beschlusses hatte sie sich bereit erklärt, 1500 Flüchtlinge aufzunehmen.